Beim Henri Nannen Preis fordert der 70-jährige Journalist und Mediengründer Manfred Bissinger die große Bezahlschranke über alle Medien hinweg und zeigt seine Geringschätzung gegenüber Facebook, Twitter und Bloggern. Ist das wirklich die Lösung für die sinkenden Verkaufszahlen?
Ein radikaler Ansatz kann immer aufrütteln, aber die Frage bleibt, ob sich die Konsequenz der Worte auch in die Tat umsetzen lässt. So charmant die Idee einer großen Bezahlschranke für alle Medien gemeinsam (in Deutschland wohl) klingt, so fraglich ist, ob sich die Welt nicht schon einfach zu lange weiterbewegt hat. Vor fünfzehn Jahren wäre das ein möglicher Zugang gewesen, doch da waren die Verlage ebenso gierig nach Clickraten, wie alle anderen Internet-Pioniere. Es wurde zu Bewertungen gekauft und verkauft und zusammengelegt, die man heute bei Facebook oder Groupon wieder sieht. Aus heutiger Sicht lief man einer Idee hinterher, die sich so nie realisieren ließ und die Allmachtsphantasien, wenn man nur einmal die nötige Menge an Usern bei der Stange hätte, kamen nicht einmal in die Nähe einer Realisierung.
Heute ist das Klagen groß über die vergangenen Fehler und Springer-Boss Döpfner wollte jeden Tag für Steve Jobs beten, der den Verlagen die Chance gab, doch noch Geld für etwas zu verlangen. Es ist zu bezweifeln, ob er noch betet, da auch hier die traurigen Wahrheiten zu Tage kommen und sich Apple weniger kooperativer Gönner, sondern eher als Profiteur der exklusiven Kundenbeziehung zeigt und diese Macht ordentlich auslebt.
Die Kommunikationswelt hat sich verändert und eine Generation an Kindern, Jugendlichen und ins Arbeitsleben vordringenden Erwachsenen ist mit den Möglichkeiten des Internet aufgewachsen. Hier werden Freiheiten genutzt, die es vorher nicht gab und die nicht mit urheberrechtlichen geschützten Werken zusammenhängen, sondern mit den Möglichkeiten von Technologie, die sich vorher nicht erträumen ließen.
Hier wird auch Geld ausgegeben und Geld verdient. Doch selbst, wenn User Geld für die Nutzung der Zeitungswebsites bezahlen würden, sie würden nie wieder ins alte Machtgefüge der Information zurückgehen. Mit keinem Gesetz der Welt ließe sich die Welt der freien Kommunikation in die Schranken der 80er-Jahre weisen. Als die gestrige US-Tageszeitungen feine Geschichten für die morgige europäische Tageszeitungen hergab, als man nur erfuhr, was in der Zeitung stand und die Nachrichten am Abend brandneue Informationen gebracht haben. In diese Vergangenheit wollen nicht einmal Verleger zurück, nur die damalige Machtposition und das Informationsmonopol wäre wirtschaftlich sehr hilfreich.
Neue Technologien verändern Märkte und die teilnehmenden Unternehmen und Kunden müssen sich verändern. Dieser Anpassungsprozess ist ein ständiger Begleiter der freien Wirtschaft und hält uns fit und sorgt für eine Auslese, die für die Unterlegenen naturgemäß unangenehm ist.
Bissinger berührt aber einen wesentlichen Punkt und liegt im Aufruf an die Verleger sich der eigenen Bedeutung bewusst zu sein und auch gemeinsam mit dem neuen Umfeld zu arbeiten. Jedoch kann eine Bezahlschranke nur funktionieren, wenn sie einerseits von allen Marktteilnehmern beachtet wird und zweitens vom Markt akzeptiert wird.
Somit kann Bezahlschranke nicht bedeuten, dass die heute üblichen weiteren Nutzungen über Verlinkung, Kommentierung, Weiterleitung, Posting in Facebook, Twitter und wo auch immer unmöglich sind. Wenn der Wert eines Artikels so gering ist, dass dessen Verlinkung ihn gänzlich entwertet, dann ist die Frage nach seiner Werthaltigkeit berechtigt.
Die Verlage und Medien werden als wesentliche Elemente einer entwickelten Demokratie ihre Position halten, aber sie wird sich verändern. Wie, werden wir noch erfahren, es ist aber jedenfalls spannend den Wandel mitzugestalten.
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