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Neue Studie Ethik & PR: 74 Prozent erkennen ethische Probleme

PR-Branche spricht sich für mehr Ethik-Diskussion und härtere Sanktionen bei Verstößen aus. Die Bevölkerung verliert zunehmend das Vertrauen in die Medienberichterstattung.

Tiefe Spuren im Bewusstsein der heimischen PR-Branche sowie der Gesamtbevölkerung hat offenbar die anhaltende Berichterstattung über Korruptionsskandale und die Verstrickung von Politikern, Unternehmen, PR-Beratern und Medien hinterlassen. Dies zeigen zwei aktuelle Online-Umfragen, die vom Institut meinungsraum.at im Auftrag des Österreichischen Ethik-Rats für Public Relations bei 157 PR-Leuten und 500 Konsumenten durchgeführt wurden. So sagen knapp drei Viertel der befragten PR-Leute, dass ihre Branche ein ethisches Problem hat, wobei drei Viertel jener, die diese Einschätzung teilen, einen verstärkten öffentlichen Diskurs über PR-Ethik befürworten. In der Gesamtbevölkerung wiederum zeigt sich ein bedenklicher Vertrauensverlust in die Medienberichterstattung: Nur noch ein Drittel der Befragten hält Medienberichte für grundsätzlich glaubwürdig. Fast die Hälfte glaubt, dass viele Berichte von Politik oder Unternehmen gekauft sind, und für mehr als die Hälfte hat sich die Glaubwürdigkeit in letzter Zeit stark verschlechtert. Dazu Roswitha Wachtler von meinungsraum.at: “Die Ergebnisse zeigen, dass die Medien und die PR-Branche aktiv werden müssen, um bei der Bevölkerung nicht ethisch in der gleichen Ecke zu landen, wo Politik und Wirtschaft derzeit sind.“

Präsentiert wurde die Umfrage im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Branchenverbände Public Relations Verband Austria (PRVA), PRQuality Austria und Verband für integrierte Kommunikation (VIKOM) in Zusammenarbeit mit dem PR-Ethik-Rat Mitte April 2012 im Haus der Industrie. Der provokant gewählte Titel: “Erst kommt das Fressen, dann die Moral: PR, ein Beruf zwischen den Stühlen?“

Wirtschaftliche Abhängigkeit als Grundübel

Als Grund für die ethischen Probleme der PR-Branche sehen 72 Prozent der befragten PR-Leute die wirtschaftliche Abhängigkeit. 54 Prozent nennen mangelndes Bewusstsein für ethisches Verhalten, 41 Prozent schlechte Vorbilder in Politik und Wirtschaft (51 Prozent der Unternehmen, 36 Prozent der Agenturen) und 25 Prozent blanke Gier als weitere maßgebliche Ursachen. Sich selbst sehen allerdings nur 36 Prozent der Befragten mit ethischen Zwängen konfrontiert, zu drei Viertel durch Gegengeschäftspraktiken in der Medienarbeit – was wohl wiederum die zunehmende Skepsis der Bevölkerung gegenüber der Glaubwürdigkeit der Berichterstattung erklärt. 27 Prozent haben ethische Probleme mit unseriösen PR-Konzepten und 20 Prozent fühlen sich Druck von oben ausgesetzt, der ethisches Verhalten verhindert (Unternehmen etwas stärker als Agenturen). Eine große Mehrheit von 86 Prozent fühlt sich den ethischen Zwängen jedoch gewachsen.

Hohe Bereitschaft zu ethischem Engagement

Für drei Viertel der PR-Leute, welche die Branche in einem ethischen Dilemma sehen, ist der Ausweg ein verstärkter öffentlicher Diskurs zu ethischen Fragen: 78 Prozent der Agenturen und 53 Prozent der Unternehmen würden sich daran auch aktiv beteiligen. Rund 70 Prozent der Agenturen und Unternehmen befürworten verschärfte Sanktionen für unethisches Verhalten, etwa jeweils die Hälfte sieht Weiterbildungsangebote zu Ethikthemen als mögliche Lösung. Beachtliche zwei Drittel der Befragten sehen einen Bedarf an Weiterbildungsangeboten in Sachen PR-Ethik.

Im eigenen Umfeld der Befragten spielt PR-Ethik eine unterschiedlich wichtige Rolle: Von den Mitarbeitern in PR-Agenturen sehen 53 Prozent Ethik als fixen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur, bei weiteren 36 Prozent wird sie anlassbezogen thematisiert. Einen geringeren Stellenwert hat das Thema PR-Ethik in den PR-treibenden Unternehmen: Hier empfinden nur 18 Prozent der befragten “In-House“-Öffentlichkeitsarbeiter Ethik als Teil ihrer Unternehmenskultur, bei weiteren 52 Prozent wird darüber im Bedarfsfall diskutiert. Keinen Platz für Ethik-Diskussionen gibt es für nur 9 Prozent der Agenturen, aber für mehr als ein Viertel der Unternehmen.

PR-Kodizes: Inhalte zu wenig bekannt

Gefragt wurde auch nach der Kenntnis der verschiedenen PR-Kodizes – also jener Normen, in denen die Branche selbst Verhaltensregeln für ihre Mitglieder vorgibt. 85 Prozent der PR-Leute kennen den Ethikkodex der Berufsvereinigung PRVA – Public Relations Verband Austria. Näheres über dessen Inhalt weiß allerdings nur knapp über die Hälfte. Andere Branchen-Regelwerke wie den Lissabonner Kodex oder die Stockholm Charta kennen jeweils 55 Prozent, aber weniger als ein Viertel weiß konkret Bescheid über die Inhalte.

Wolfgang R. Langenbucher, Vorsitzender des PR-Ethik-Rats, sieht in der Unwissenheit einen Hauptgrund für unethisches Handeln: “Die Angehörigen der Branche sollten sich deshalb einem auf Dauer angelegten professionellen Lernprozess unterziehen. Wo die Ethik fehlt, wird – allzu viele Beispiele aus jüngster Zeit zeigen das dramatisch – der Boden für kriminelles Handeln aufbereitet.“

Branche vertraut auf PR-Ethik-Rat

Satte 95 Prozent der befragten PR-Leute kannten schon vor ihrer Teilnahme an der Umfrage den seit drei Jahren bestehenden PR-Ethik-Rat, 36 Prozent haben bereits die Website http://www.prethikrat.at besucht. 88 Prozent sprechen sich dafür aus, dass der Ethik-Rat seine Arbeit weiter verstärkt – auch in dem Wissen, dass sich dadurch nur langsam etwas ändern wird – und 67 Prozent würden ein härteres Durchgreifen bei Verstößen begrüßen. Der PR-Ethik-Rat ist allerdings eine Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle der Branche, die über keine behördlichen Befugnisse verfügt und lediglich öffentliche Rügen aussprechen kann. Dennoch meinen nur 26 Prozent, dass sich durch die Arbeit des PR-Ethik-Rats auch auf längere Sicht nichts verbessern wird, 10 Prozent könnten auf diese Einrichtung ganz verzichten.

Wenig Wissen über PR in der Bevölkerung

Bei der Konsumentenumfrage meinten 69 Prozent, Politik und Unternehmen hätten zu viel Einfluss auf die Medien, 63 Prozent wünschen sich strengere ethische Regeln für die Zusammenarbeit zwischen Öffentlichkeitsarbeitern und Medien. Zugleich sagen aber 21 Prozent der Teilnehmer, sie wüssten gar nichts über PR, und nur 40 Prozent fühlen sich ausreichend informiert.

Hier können Sie sich die Studie downloaden.

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