Die Ergebnisse der von IFES durchgeführten Umfrage geben Auskunft darüber, wie Kommunikation und Zusammenarbeit rund um Krisenthemen von beiden Seiten wahrgenommen werden.
Eine vom Meinungsforschungsinstitut IFES im Auftrag des PRVA Mitte März bis Mitte April 2016 durchgeführte Umfrage zeigt klar, dass die beiderseitigen Ansprüche im Krisenfall oft weit auseinanderklaffen.95 Prozent aller 241 befragten Kommunikatoren geben an, in der einen oder andere Form Krisenkommunikation zu betreiben, in der strategischen Vorbereitung und/oder auch im konkreten Anlassfall. Knapp 60 Prozent geben an, dass ihr Unternehmen bzw. die Agentur, die für sie arbeitet, für den Ernstfall gerüstet seien. Und so kommen sie zu der Einschätzung, dass ihre Krisenkommunikation in der jüngsten Vergangenheit sehr gut (26 Prozent) oder gut (47 Prozent) funktioniert hätte.
Wie so oft im Leben klaffen Selbst- und Fremdbild aber in einigen Bereichen doch sehr weit auseinander: Journalisten bewerten die Arbeit der Kommunikatoren deutlich weniger positiv. Der am häufigsten genannte Kritikpunkt ist der fehlende Ansprechpartner in Unternehmen oder Institutionen. Nur in einem Punkt wird noch lauter Klage geführt und das ist die Wahrnehmung, dass manche Medien bevorzugt behandelt werden würden. „In der Krise befinden sich alle Beteiligten in einem Ausnahmezustand. Die Medien drängen auf raschest mögliche Information, je schneller desto lieber. Die Unternehmensseite dagegen muss alle Infos, die rausgehen, doppelt und dreifach prüfen. Das kostet Zeit, ist aber unverzichtbar“, wirbt PRVA-Präsidentin Susanne Senft um Verständnis für die Kommunikatoren. „Wir wissen doch alle, dass eine mangelhafte oder gar fehlerhafte Information, die einmal verbreitet wurde, nicht mehr einzufangen ist.“
Hohes Maß an persönlicher Verantwortung
Besondere Bedeutung misst der PRVA in kritischen Situationen einem Höchstmaß an ethischer Verantwortung zu – auch das nicht unbedingt ein Beschleuniger von heißen Stories. Wenn es um menschliche Schicksale geht oder um die Zukunft von Unternehmen, tragen Kommunikatoren und Journalisten ein hohes Maß an persönlicher Verantwortung. „Unternehmenssprecher befinden sich in einer ganz besonders heiklen Situation. Sie arbeiten an der Schnittstelle der Interessen ihres Unternehmens und der Öffentlichkeit. Sie müssen also die berechtigten Interessen des eigenen Hauses wahren und gleichzeitig die berechtigen Interessen der Öffentlichkeit zufrieden stellen“, sagt Susanne Senft. „Auf der anderen Seite brauchen Journalisten die Informationen so rasch und umfassend wie nur irgend möglich. Dieser Konflikt wird nicht aufzulösen sein. Aber Verständnis für die Arbeitsbedingungen des jeweils anderen könnte schon zur Entspannung beitragen. Zuversichtlich stimmt, dass 71 Prozent der Kommunikatoren angeben, dass nach Ende des Krisenfalls eine Analyse der Arbeit durchgeführt und dies auch zu Verbesserungen des Prozesses in Zukunft genützt wird.
Offenheit statt Kopf in den Sand stecken
Fest steht, dass Journalisten bei größeren Unternehmen mehr Professionalität im kommunikativen Umgang mit Krisen wahrnehmen als bei kleineren. Die bessere Bewertung der Kommunikationsarbeit großer Unternehmen im Vergleich zu kleineren liegt nach Einschätzung von PRVA-Präsidentin Senft vor allem im Ressourcenpool begründet. Die im Allgemeinen kleinen Strukturen der österreichischen Unternehmen limitieren natürlich auch die Größe der Kommunikationsabteilung. „Das Interesse der Journalisten, an der Umfrage teilzunehmen und damit zu einer Verbesserung der Situation beizutragen, war zu unserem großen Bedauern doch sehr begrenzt“, merkt die PRVA-Präsidentin an. „Die 62 Medienvertreter, die geantwortet haben, sind allerdings durchwegs in leitender Funktion und ihre Antworten sind entsprechend bedeutsam zu bewerten.“ Journalisten sind gegenüber ihren Ansprechpartnern auf Unternehmensseite wesentlich kritischer als diese mit sich selbst. Ihre Wahrnehmung ist, dass viele Unternehmen in der Krise nicht planvoll, sondern nur bedarfsorientiert vorgehen – und sie haben eine lange Wunschliste, die mit „Offenheit statt Kopf in den Sand“ gut zusammengefasst ist:
– Verlässliche Ansprechpartner auf Unternehmensseite sind gefragt
– Offenheit statt No-Comment-Policy
– Proaktives Kommunizieren
– Ehrlichkeit statt Wahrheit auf Raten
– Schnelligkeit, wenn es um Reaktionszeiten geht
– Keine Bevorzugung von bestimmten Medien
– Wissen um Zeitabläufe in Redaktionen
– Bessere Nutzung der Möglichkeiten von Online-Kommunikation und Social Media
Steigende Komplexität
„Krisenkommunikation ist eine Königsdisziplin der PR“, betont die PRVA-Präsidentin. „Während die Komplexitäten auf allen Ebenen steigen, steigt auch der zeitliche Druck. Wenn wir diese Situationen gut meistern wollen, brauchen wir hochprofessionelle Kollegen in den Unternehmen und in den Medien.“ Aus diesem Grund wird der PRVA sein Aus- und Weiterbildungsangebot in diesem Bereich intensivieren. Die Themen werden in zwei Schwerpunkten gebündelt: Präsentation von Best-Practice-Beispielen und dem damit verbundenen Erfahrungsaustausch auf der einen Seite und der Diskussion ethischer Anliegen auf der anderen Seite. „Die Medienvertreter kritisieren mangelnden Einsatz von Social Media im Krisenfall und genau in diesem Bereich stehen wir aus ethischer Sicht vor besonderen Herausforderungen“, erklärt Senft. „Allerdings frage ich mich, wie weit wir hier mit Schulungen und Verhaltensregeln kommen, oder ob hier nicht vielmehr persönliches Verantwortungsbewusstsein und Integrität gefordert sind.“
PRVA-Präsidentin Susanne Senft: „Unternehmenssprecher befinden sich in einer ganz besonders heiklen Situation. Sie arbeiten an der Schnittstelle der Interessen ihres Unternehmens und der Öffentlichkeit. Auf der anderen Seite brauchen Journalisten die Informationen so rasch und umfassend wie nur irgend möglich. Dieser Konflikt wird nicht aufzulösen sein. Aber Verständnis für die Arbeitsbedingungen des jeweils anderen könnte schon zur Entspannung beitragen.“