Warum Medienbeobachtung ein Führungsthema geworden ist.„Das sind doch nur Spekulationen der Medien“ oder auch „das habe ich nur den Medien entnommen“ – drei Buchstaben können Geld, aber auch den eigenen Job kosten. In einer mediatisierten Umwelt gibt es kein „nur“ mehr. Diese Lektion stellt insbesondere das Management vor besondere Herausforderungen und sollte entsprechend schnell gelernt werden.
Ein feststehendes Thema der linken Medientheorie – von Brechts Thesen zum Radio bis Enzensbergers TV-Baukasten – war die ungleich verteilte ökonomische Macht, die den Sendeanstalten die Deutungshoheit über das Weltgeschehen zuschrieb. Die tatsächliche Lesefreiheit des Publikums konnte das schon damals nicht ganz wegleugnen, spätestens in Zeiten von Photoshop und Weblogs allerdings gilt diese „economy of scale“ im Nachrichtengeschäft aber längst nicht mehr. Ein einzelner Leserbrief kippt ganze Imagekampagnen, wie nicht nur heutige Ex-Kanzler schmerzvoll lernen mussten. Geschickte Link-Politik lässt im Google-Ranking ausgerechnet die Kritiker eines Unternehmens die ersten Plätze belegen, wenn man einen Produktnamen eingibt. Und die „Hate-Blogs“, wie sie etwa polarisierende Firmen wie Wal-Mart begleiten, sind auch kein rein amerikanisches Phänomen mehr, wie Online-Proteste gegen Siemens (Atomkraft) und Lufthansa (Abschiebungsflüge) zeigten.
Die einfache, aber schmerzvolle Erkenntnis für alle Markenverantwortlichen: Der Konsument redet zurück und er tut es immer öfter professionell. Etwa in Form der Ad-Busters, die bewusst Ikonen der Werbewirtschaft verfremden, so dass plötzlich das Calvin Klein-Logo blutige Hähnchenschenkel ziert.
Unbekannte Schreib-Objekte
So weit die Diagnose. Die auf struktureller Ebene eine Demokratisierung der Meinungen bedeutet, auf der professionellen Seite – der P.R. – allerdings gewaltigen Mehraufwand. Dieser lässt sich in Wahrheit und auch vor dem Hintergrund immer größerer operativer Einheiten in Mittel- und Osteuropa in der Unternehmenskommunikation nur mit professioneller Hilfe bewerkstelligen. Die Schlüsse zieht das Unternehmen immer noch selbst. Die Beobachtung allein der ausufernden „Blogosphere“, auf die Journalisten bei Recherchen vermehrt zurückgreifen, sollte man durchaus outsourcen.
Und genau hier kommt auch die Führungsaufgabe Medienbeobachtung ins Spiel. So wie der schönste Risk Management-Report Makulatur bleibt, wenn seine Handlungsaufforderungen nicht beherzigt werden (soll in manchen Banken auch hierzulande passiert sein), stellt eine unkommentierte Clipping-Sammlung einen Ordner von Brisanz dar.
Im besten Falle verbergen sich darin Hinweise für erfolgreiche Wege in der weiteren Unternehmensausrichtung, im schlimmsten Fall lauern hier Fallstricke für die Zukunft. Börsenotierte Firmen wissen in der Regel um die fatale Wirkung auch von unrichtigen Meldungen, doch die Wirtschaftswelt besteht nicht nur aus AGs. Erstaunlicher Weise bleibt gerade der Mittelstand hier oft recht blauäugig und verzichtet auf Auswertungen, womit man gepunktet hatte bzw. wo medial starker Gegenwind auftrat. Ein-Personen-Unternehmer hingegen zeigen oft genug, wie es scheinbar skurrile Geschäftsideen durch konsequente Kommunikation bis zu TV-Öffentlichkeiten bringen, die mit herkömmlichen Budgets definitiv nicht leistbar gewesen wären. Während werbliche Ausgaben zumeist Chefsache sind, werden die ungleich günstigeren Lehren aus den bestehenden Kommunikationserfolgen (und deren Ausbleiben) gerne vernachlässigt.
Es ist ein wenig wie mit der Mittelkonzentration auf Neukunden-Gewinnung, anstatt in die Bindung bestehender Käufer zu investieren. Dabei liegt die strukturelle Ähnlichkeit doch auf der Hand: Wer mich bereits kennt, dem brauche ich nicht immer die gesamte Botschaft neu zu „verkaufen“, sondern nur das jeweils Neueste.
Blick in Nachbars Garten
Neben dieser reinen Überlegung zur Aufwandsökonomie ergibt sich aber noch ein zweites Motiv zur kontinuierlichen Medienbeobachtung. Die Optimierung der eigenen Performance bedarf auch abseits der Produktionsprozesse und Fertigungsstraßen klarer Richtgrößen. Diese Benchmarks liefert die Beobachtung des medialen Outputs des Mitbewerbs.
Es mag auf den ersten Blick eigenartig anmuten, Geld zu investieren, um den Namen des Konkurrenten in seiner medialen Performance zu messen. Nur dann wissen Sie aber gewiss, wie die eigene Presse zu werten ist. Speziell in Märkten mit wenigen Playern besteht durchaus die Chance, sich á la longue als Synonym bzw. Sprachrohr für den Gesamtmarkt herauszumausern. Dort, wo dies nicht gelingt, bleibt immer noch die Strategie des Bush-Strategen Karl Rove: Die Stärken des Gegners zu attackieren. Um hier wirklich die eigene Position zu stärken, muss ich diese – und das heißt deren mediales Bild – auch kennen.
Der dritte Grund, sich auch in der Führungsebene ab und an mit der medialen Ausbeute vertiefend auseinanderzusetzen, liegt in der immer wieder als Lackmustest für die „corporate communication“ zitierten Krisen-P. R.. Diese betreibt man idealer Weise präventiv, das heißt durch Vertrauensaufbau in guten Zeiten. Daher empfiehlt sich auch hier eine genaue Analyse, mit welchen Begriffen man in der laufenden Berichterstattung kombiniert wird. Die römische Weisheit, dass immer etwas „hängen bleibt“ (Audacter calumniare, semper aliquid haeret), hat schließlich auch zwei Seiten. Sie gilt nicht nur im negativen Fall.
Auch positive Images bedürfen des laufenden Monitorings. Denn ebenso schnell lässt sich in den Medien „der tiefe Fall des Strahlemanns“ inszenieren. Zum Beispiel wenn es einmal nicht nur positiv läuft im Businessleben. Dementsprechend ist der allwissende Allein-Entscheider nicht unbedingt das taugliche Bild für die eigene Medienpräsenz. Zu gerne sucht man die Risse im Denkmal-Sockel, Journalisten sind da keine Ausnahme. „Majestätsbeleidigung“ ist schließlich kein strafwürdiges Delikt in der Kommunikation.
Fazit
Professionelle Medienbeobachtung und –analyse sollte Führungskräften die Richtung transparent machen, in die der Drall („spin“) der Kommunikation laufen soll. Dafür gibt es dann die „spin doctors“ und andere Experten. Strategische Entscheidungen sollten aber dort getroffen werden, wo auch die operative Führung geschieht.
Mag. Roland Graf ist Lektor für Marketing am Studiengang Medientechnik der FH St. Pölten und beim WIFI NÖ sowie Generalsekretär des Wirtschaftsforums der Führungskräfte (WdF), Österreichs größtem unabhängigen Management-Verband.