Spannende Diskussionen auf dem Podium bei den Medientagen. Hans-Jörgen Manstein wetterte gegen den neuen Boulevard und Bundespräsident Fischer lobte die guten Zeiten, erinnerte aber an die Verantwortung der Medien.
Bundespräsident Fischer konnte mit historischem Wissen und intellektuellem Hintergrundwissen aus seiner klassischen Schulausbildung überzeugen. Er nutzte auch eine Falschparker-Ansage der Messeleitung zur Pointe. Während Vorredner Manstein kein gutes Haar an den heutigen Medien ließ, lobte Fischer die gute Situation heute. Weder vor 80 Jahren noch vor 50 Jahren wäre eine Zeit, die er sich die Medien und Pressefreiheit betreffend zurückwünschen würde.
Manstein sieht dies offensichtlich anders und startete den Tag vor einem vollen Saal mit einer Philipika gegen den neuen Boulevard, der sich an nichts mehr hielte und keine Grenzen mehr kenne. Als Beispiel nannte er etwa die vermeintlichen Gassi-Stops Flöttlscher Flieger für Elsnersche Hunde, die ohne Nachprüfung groß übernommen wurden. Er schonte dabei auch nicht den Co-Gastgeber News-Verlag, rieb sich aber vor allem an dem Neuen in der Runde – Österreich.
Während Manstein an die Zeiten, wo die Gschpusis und Faux-Pas der Politiker noch in Journalistenhirnen zurückblieben und nicht der gemeinen Öffentlichkeit preisgegeben wurden, wunderten sich manche im Publikum. In einem Land, das ein mächtiges Kleinformat seit vielen Jahren fürchtet und sich nach ihm richtet, kann doch der Boulevard nicht neu sein. Ein Chefredakteur und Medieninhaber, der nicht nur finanziell vollkommen unabhängig ist, sondern auch einen gewissen Hang zur Einflussnahme auf politische Prozesse hat und dem Kampagnisieren schon oft vorgeworfen wurde, ist ja nicht erst seit einem Jahr bekannt. Vielleicht liegt es an der Farbe und der hohen Druckqualität, die Österreich in den Boulevard gebracht hat, daß es jetzt plötzlich mehr auffällt.
Politische Präsentation eines neuen Medienproduktes
Während zuerst noch die Moral beschworen wurde und zweckdienliche Verquickungen jeglicher Art verdammt wurden, war zum Ende der Begrüßungen und Keynotes alles wieder in feinster österreichischer Art einig.
Bundespräsident Fischer nahm sich die Zeit während der Reden von Wirtschaftskammer-Präsidentin Brigitte Jank (die einzige Erwähnung der Werbesteuer!) 1st aus dem Newsverlag persönlich von News-Chef Oliver Voigt erklärt zu bekommen. Das Grußwort von Bürgermeister Häupl überbrachte Vizebürgermeisterin Grete Laska, wies auf die Segnungen des Kommunikations- und Kreativstandortes Wien hin, vergaß wohlweislich schon die Werbesteuer und eröffnete die Medientage.
Und weil sie so gerne „Packerln auspackt“ erhielt sie ein solches von Oliver Voigt und hielt freudig das neue Hochglanz-Magazin aus dem News-Verlag in die Kamera. Da konnte Madonna von Österreich nicht mithalten, kostet aber dafür nur ein Viertel.
Wortgefechte am Podium
Am Printgipfel zeigte sich ein interessantes Gruppenbild mit Dame. Moderator Michael Grabner hatte Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid an seiner Seite, die die „haptische Erotik“ von Papier und einer Zeitung beschwor. Michael Fleischhacker (Die Presse) saß neben seinem Vorgänger Andreas Unterberger (Wiener Zeitung). Ersterer betonte die klare Positionierung eines Mediums als Marke, die in multimedial eingesetzt wird, und bedantek sich bei Wolfgang Fellner für die Differenzierungskampagne. Nie wieder werde jemand so viel Geld in die Hand nehmen, um den Unterschied von Qualitätsmedien herauszuarbeiten, meinte er. Unterberger jedoch kanzelte die mangelnde journalistische Qualität im News-Verlag ab und sprach „von widerlichem Eindringen in die Privatsphäre“.
Horst Pirker (Styria Holding) relativierte dies, als es auf allen Ebenen und für alle Lesergruppen Qualität geben kann. Wolfgang Fellner stellte jedoch gleich die Unabhängigkeit der bundeseigenen Wiener Zeitung in Frage und stellte die Frage in den Raum, ob man in Österreich noch eine „Prawda“ brauche.
Während Kurier-Chefredakteur das Heil in Exklusivgeschichten sieht, betont Hermann Petz (Tiroler Tageszeitung) den regionalen und lokalen Inhalt. In Summe scheinen die Printmedien guter Dinge zu sein. Als maßgebliches Asset werden die starken und eingeführten Marken gesehen und der in großem Ausmaß selbst produzierte Inhalt. Während, so Pirker, im TV sehr stark international eingekauft würde (mit beschränkten Rechten) und im Radio nur fremder Content an fremden Content gereiht würde, produzieren die Printmedien den allergrößten Teil selbst. Nun gehe es daran dies in Verbindung mit der Marke auf allen Kanälen zu nutzen.
Digitalisierung bringt auch Vorteile
Dies deckt sich wiederum mit den Erfahrungen der Keynote-Speakerin Laurie Benson, Time Europe-Verlagsdirektorin, die gerade in der multimedialen Vielfalt die Bedeutung des Vertrauens in eine Marke als Vorteil sieht. Das Internet stärkt damit die Position der Medienmarken, statt sie zu schwächen.
Die Fernsehmacher sehen sich stärker unter Druck durch das Internet und selbst ORF-Chef Alexander Wrabetz sieht die mediale Führungsposition des TV durch das Internet bedroht. Die Digitalisierung schreitet voran und bringt neue Chancen, vor allem für kleine Privatsender, so Wrabetz. Die digitalen Chancen müssten jedoch auch von den großen Sendern wahrgenommen werden (können). Jedenfalls ist der Content der Schlüssel zum Erfolg, soweit ist sich das bunt besetzte Podium einig, denn nur für Inhalte, die er haben will, wird der Seher zahlen.
Beim Radio ist man sich noch nicht sicher, ob die Digitalisierung Vorteile bringt, interaktiv (also 2.0) ist man schon seit langem. Für Lounge FM-Chef Florian Novak ist das Mobiltelefon schon der wichtigste Empfänger.
Mehr Medien – mehr Medienbeobachtung
Die Dominanz der Inhalte in den Printmedien zeigt sich auch in der Medienbeobachtung, wo Printmedien für die Kommunikatoren mengenmäßig das wichtigste Medium bleiben. Die stark steigende Zahl von Titeln und Regionalausgaben erhöht die Möglichkeiten zu kommunizieren noch weiter. Damit steigt auch die Bedeutung einer professionellen Medienbeobachtung, um einen Überblick zu behalten und die Medienresonanz verlässlich kontrollieren zu können. Für das stark fragmentierte Internet gilt dies interessanterweise gleichermaßen, wenn auch aus anderen Gründen. Zwar ist theoretisch alles vom Arbeitsplatz aus anclickbar, aber die Mediendichte macht auch dies mittlerweile zur Nadelsuche im Heuhaufen.
Professionelle Medienbeobachtung mit menschlicher Kontrolle durch Lektoren ist auch hier nicht zu ersetzen. Die Bedeutung zeigt sich bei jeder Google-Suche, die zwar viele Ergebnisse bringt, aber eben nicht nur die gesuchten.