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PR-Ethik-Rat präsentiert neue Führung und zieht Bilanz

Künftig will sich das Gremium auf „exemplarische Fälle“ konzentrieren.

Der PR-Ethik-Rat hat eine neue Führungsspitze: Zum neuen Vorsitzenden wurde Thomas A. Bauer bestellt, emeritierter Professor am Institut für Publizistik der Universität Wien. Der neue Vorsitzende Thomas A. Bauer ist – wie sein Vorgänger Wolfgang R. Langenbucher – emeritierter Professor und ehemaliger Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien (Schwerpunkt Kommunikationskultur und Medienpädagogik).Neue Vize-Vorsitzende ist die Agenturchefin Brigitte Mühlbauer. Der bisherige Vorsitzende, Professor Wolfgang R. Langenbucher scheidet satzungsgemäß aus. Die stellvertretende Vorsitzende Renate Skoff – wie Langenbucher und Mühlbauer seit der Gründung Ende 2008 im Amt – zieht sich aus dem Rat zurück. Dem Trägerverein, der die Führung des PR-Ethik-Rats bestellt, gehören neben dem PRVA auch der VIKOM – Verband für integrierte Kommunikation und die PR Quality Austria, zuständig für die Vergabe des Österreichischen PR-Gütezeichens, an. Neue Vize-Vorsitzende ist die Leiterin der renommierten Wiener Kommunkationsagentur asoluto – public + interactive relations, Brigitte Mühlbauer – sie gehört dem Rat seit seiner Gründung Ende 2008 an. Neu im elfköpfigen PR-Ethik-Rat-Team ist auch Maria-Anna Helmy, Pressesprecherin der Industriellenvereinigung. In der Funktion als Vertreterin des VIKOM folgt sie auf Marita Roloff.

Trennungsgrundsatz

In einer Rückschau auf die ersten sechs Jahre des Rates erklärte Langenbucher, der PR-Ethik-Rat sei bisher überwiegend mit Verstößen gegen den „Trennungsgrundsatz“ (Unterscheidbarkeit zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung in Medien) befasst worden – ein Thema, für das primär die Medienbranche und die Verwaltungsbehörden zuständig seien, die sich aber dieser Fragen nicht angenommen hätten. Ethik-Themen aus der PR-Branche seien hingegen zu selten an das Gremium herangetragen worden. Der Rat habe deshalb auch von sich aus Fälle von unsauberer Kommunikation – wie zuletzt die massenweise Produktion von gefälschten Postings in Sozialen Netzwerken – aufgegriffen und damit die notwendige Ethikdiskussion innerhalb der PR-Branche befördert. In Summe habe man, trotz kritischer Reaktionen, zumindest bei einigen Medien das Bewusstsein für die Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten schärfen können. Auch in der PR-Branche habe es deutliche Signale für Interesse an „sauberen“ Verhältnissen gegeben – so etwa die Einführung des „Österreichischen PR-Gütezeichens“ im Vorjahr.

Der neue Vorsitzende Bauer kündigte an, der Rat wolle sich in Zukunft mehr auf exemplarische Fälle konzentrieren, bei denen Grundsatzthemen der Ethik im Mittelpunkt stünden, mit denen man den öffentlichen ethischen Diskurs in der Kommunikationsbranche anreichern könne. Andere Fälle werde der Rat künftig an die zuständigen Behörden weiterleiten, die hier endlich tätig werden müssten. In Zukunft sehe der Rat seine Rolle stärker als „Wegweiser“ denn als „Aufpasser“. Als Beispiele für entsprechende Aktivitäten nannte Bauer fallbezogene Dilemma-Debatten unter Einbeziehung aller Beteiligten und die Suche nach Synergien zwischen den Einrichtungen Presserat, Werberat, VÖZ und PR-Ethik-Rat.

Gut etabliert, aber noch nicht am Ziel

Wie der scheidende Vorsitzende Wolfgang R. Langenbucher in seiner Bilanz ausführte, habe sich der PR-Ethik-Rat in den sechs Jahren seiner Tätigkeit als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der PR-Branche gut etabliert. Bei den Themen habe man allerdings die selbstgesteckten Ziele nicht erreicht: Statt der wesentlichen ethischen Fragen, mit denen sich der Rat beschäftigen wollte, seien vor allem Beschwerden über Verstöße gegen den „Trennungsgrundsatz“ (also die klare Unterscheidbarkeit von Inseraten und redaktionellen Artikeln) eingebracht worden. Dies sei primär ein Problem der Medien und der Bezirksverwaltungsbehörden und beträfe die PR-Branche nur am Rande. Der Rat habe sich dieses Themas angenommen, weil es sonst niemand getan habe, und dafür einiges an Kritik einstecken müssen. Allerdings, so Langenbucher, hätten einige Medien positiv reagiert und die Kennzeichnung von bezahlten Einschaltungen – zum Nutzen der Konsumentinnen und Konsumenten – verbessert. Bei Beschwerden habe der Rat nicht nur die Medien, sondern alle Beteiligten befragt und auch nicht nur Medien gerügt. „Es ist nicht unser Ziel, die Medien anzugreifen. Der Rat sieht sich vielmehr als Partner in einer notwendig zu führenden Debatte, die Medien, Organisationen und Agenturen gleichermaßen betrifft“, so Langenbucher.

Um der ursprünglich anvisierten Aufgabe gerecht zu werden, hat der PR-Ethik-Rat auch von sich aus Fälle wie die Hochegger-Aktivitäten, gefälschte Gutachten, fragwürdige PR- und Lobbying-Konzepte oder massenweise gefälschte Postings aufgegriffen und auch mehrere Grundsatzpapiere herausgegeben. Als jüngstes derartiges Werk – und gewissermaßen „Vermächtnis“ des scheidenden Vorsitzes – stellte der Rat das Memorandum „PR-Ethik unter den Bedingungen des Medienwandels“ vor, das den aktuellen Status zum Thema Trennungsgrundsatz zusammenfasst und evaluiert.

Mehr Mut zeigen!

Die PR-Branche forderte Langenbucher auf, mehr Mut zu zeigen, wenn es um das Aufdecken von Missständen in den eigenen Reihen geht: „Wer sich für die Einhaltung ethischer Regeln stark macht, muss auch Verstöße gegen diese Regeln aufzeigen, auch wenn dies häufig Konfrontation mit anderen Akteuren bedeutet. Von der Öffentlichkeit wird ein solches Vorgehen heute erwartet und honoriert.“ An die Verlage appellierte Langenbucher, ihre Einstellung zur Kennzeichnung von Sonderwerbeformen zu überdenken. Eine klare Kenntlichmachung bezahlter Flächen nütze allen Beteiligten – den Konsumenten, die dadurch wissen, woran sie sind; den Inserenten, die durch offenes Auftreten ihre Marken stärken; und insbesondere den Medien selbst, die damit an journalistischer Glaubwürdigkeit gewinnen – dem wichtigsten Wert, den speziell Printmedien heutzutage haben können.

112 Fälle in sechs Jahren

Wie die scheidende Vize-Vorsitzende Renate Skoff berichtete, hat der Rat seit Beginn seiner Tätigkeit vor sechs Jahren 112 Fälle bearbeitet, die zum Großteil als Beschwerden eingegangen sind. Das Ergebnis waren 15 Rügen (zwei davon wurden noch nicht veröffentlicht) und 14 öffentliche und nicht öffentliche Mahnungen; in 31 Fällen wurde kein Verstoß gegen die ethischen Regeln der Branche festgestellt, weitere 32 Fälle wurden – mangels Zuständigkeit oder Beweisen – an den Presse- oder Werberat weitergeleitet bzw. fallengelassen. 17 Fälle wurden nicht einzeln bearbeitet, sondern grundsätzlich im Rahmen von Positionspapieren oder öffentlichen Stellungnahmen abgehandelt. Drei Fälle sind noch in Bearbeitung.

Seit dem letzten Bericht im Herbst 2013 hat sich die Arbeit weiter verstärkt. Thema der meisten Beschwerden waren vermutete Verstöße gegen den Trennungsgrundsatz: also Vermischung von redaktionellen Berichten und bezahlten Einschaltungen, Gefälligkeitsberichterstattung, Koppelungsgeschäfte und dergleichen. Zuletzt hat der Rat den im November des Vorjahres von der Zeitschrift DATUM aufgedeckten Skandal um massenweise beauftragte Postings unter falschen Identitäten in Sozialen Netzwerken aufgegriffen. Dazu Skoff: „Dieser Fall ist noch anhängig. Es gibt viele Beteiligte, alle Stellungnahmen werden sorgfältig geprüft und evaluiert. Das ist mit Abstand der komplexeste Fall, den wir je hatten.“

Über die Behandlung von Beschwerden hinaus hat der PR-Ethik-Rat in den vergangenen sechs Jahren auch Aktivitäten gesetzt, die den ethischen Diskurs in der Öffentlichkeit fördern sollten. Dazu gehören Stellungnahmen zu breit diskutierten Themen wie dem Medientransparenzgesetz, der sogenannten „Inseratenaffäre“ oder gefälschten Postings, weiters Publikationen, Mustervertragsklauseln, Studien und Veranstaltungen zu Schleichwerbung und PR-Ethik, die Entwicklung von „Prinzipien zur Kommunikationsethik in Social Media“ sowie ein Vorschlag für eine Neufassung des nicht mehr zeitgemäßen „Kennzeichnungsparagrafen“ (§ 26) im Mediengesetz.

Neuausrichtung des Rates

Für den künftigen Umgang mit § 26-Fällen hat der scheidende Vorstand einen Aktionsplan vorgelegt. Auf dieser Basis will der neue Vorsitzende Thomas Bauer die ungewollte Fokussierung des PR-Ethik-Rates auf Kennzeichnungsmängel beenden. Konkret soll künftig bei eingebrachten Fällen stärker unterschieden werden zwischen solchen, bei denen es um eine (vermutete) klare Verletzung des Mediengesetzes geht, und anderen, die, so Bauer, „durch fragwürdige Strategien und Geschäftslösungen das ethische Dilemma der Medien- und Kommunikationsbranche jenseits gesetzlicher Regelungen sichtbar machen. Es sind die Grauzonen, in denen das ethische Kompetenzniveau, der Mangel, die Entwertung oder eben die Achtung der Ethik-Grundsätze der Branche sichtbar werden.“

Um das Ethik-Thema zu einem „Topos öffentlicher Kommunikationskultur“ zu machen, brauche es – neben der kritischen Nachverfolgung problematischer Fälle – das öffentliche Gespräch, die publizistisch relevante Debatte, an der sich Betroffene beteiligen oder beteiligt werden. Um dies zu erreichen, solle sich der Rat bewusst auf exemplarische Fälle und grundsätzliche Themen konzentrieren, mit denen man den öffentlichen ethischen Diskurs in der Kommunikationsbranche mit Wissen und Bewusstsein anreichern könne.

Andere Fälle, bei denen es um typische Verstöße gegen das Mediengesetz gehe, werde der Rat künftig an die zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden weiterleiten, die ihrer Verantwortung nachkommen und Verstöße ahnden müssten: „Damit erhöhen wir unsere Schlagkraft bei dieser Thematik und schaffen gleichzeitig Raum für tiefer gehende ethische Auseinandersetzungen.“

In Zukunft, so Bauer, sehe der Rat seine Rolle stärker als „Wegweiser“ denn als „Aufpasser“, weniger und nicht ausschließlich als Instanz von Mahnung, Nachmahnung und Einmahnung, sondern mehr als Referenzagentur des ethischen Diskurses in all seinen Implikationen: „In diesem Sinne wird es auch das Anliegen der zukünftigen Ratsarbeit sein, das bisher zu wenig genutzte Synergiepotenzial des Austausches und der Verdichtung von Positionen und Meinungen mit Presserat, Werberat und VÖZ durch Strukturen der Kooperation auszuschöpfen. Dafür bieten sich Projekte im Bildungsbereich (Medienbildung), im Rahmen von Mid-term-Trainingsprogrammen wie auch regelmäßig geführte fallbezogene Debatten aller Beteiligten und Stakeholder quer über die institutionellen Abgrenzungen an.“

Pressegespräch PR-Ethik-Rat

Präsentierten eine Bilanz und die neue Leitung: Ingrid Vogl (PRVA), Wolfgang R. Langenbucher, Renate Skoff, Brigitte Mühlbauer, Thomas A. Bauer (alle PR Ethik-Rat)

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