Ein Nachruf von Maximilian Gottschlich
Hannes Haas ist nicht mehr unter uns. Er starb am 20. März nach kurzer, schwerer Krankheit im 57. Lebensjahr. Mit ihm verliert die Wiener Publizistik- und Kommunikationswissenschaft eine Persönlichkeit, die das wissenschaftliche Profil dieses Instituts in den vergangenen drei Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt hat. Journalismus- und Medienforschung, sowie Medien- und Kommunikationspolitik in Österreich und Europa waren die großen Themenbereiche, denen Hannes Haas sein wissenschaftliches Engagement, seine vielfach gefragte und geschätzte Expertise und seine weit über das bloß fachliche Interesse hinausgehende Zuwendung und Liebe widmete. Ein besonderes Anliegen war Haas die Sicherung und Weiterentwicklung des Qualitätsjournalismus in Österreich. Ihm galt seine Aufmerksamkeit und Sorge.
Als Universitätslehrer verstand es Hannes Haas, Studierenden die komplexe Welt der Medien in ihren vielfältigen theorie- und praxisrelevanten Bezügen aufzuschließen. Dazu verhalf ihm auch die besondere Fähigkeit, sein profundes Sachwissen mit Humor – einem unnachahmlich trockenen und zugleich intelligenten Humor – zu verbinden. Man konnte mit Hannes Haas herzhaft, aber nie niveaulos lachen. Wir, seine Kollegen und Kolleginnen am Institut wussten dies genauso zu schätzen, wie viele seiner Studentinnen und Studenten in den Seminaren und Vorlesungen. Es waren am Ende mehr als 700 AbsolventInnen, die Hannes Haas im Laufe seiner wissenschaftlichen Tätigkeit betreute.
Geboren wurde Hannes Haas 1957 in Leonding/Oberösterreich. Er studierte neben Publizistik-und Kommunikationswissenschaft Germanistik und Theaterwissenschaft. Während seines Studiums arbeitete er als ständiger freier Mitarbeiter im ORF Landesstudio Oberösterreich. Gegen Ende seines Studiums führte ich zahlreiche Gespräche mit dem begabten Studenten Hannes Haas und legte ihm nahe, die Universitätskarriere anzustreben. Die damalige interimistische Institutsleiterin Marianne Lunzer-Lindhausen unterstützte diese Empfehlung – und so fiel die berufliche Entscheidung, wie bei einigen von uns, nicht für den Journalismus, sondern für die Wissenschaft. Aber die Liebe zum Journalismus blieb. Nach seiner Promotion 1983 wurde Haas Universitätslektor, Universitätsassistent, habilitierte 1997 für das Gesamtfach Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, wurde ein Jahr später zum Außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt und folgte schließlich 2010 dem Ruf auf die Professur für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Journalismusforschung an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien. Im selben Jahr übernahm er an dieser Fakultät für die folgenden zwei Jahre die Funktion des Vizedekans. Von 2000 bis 2006 war Haas stellvertretender Institutsvorstand, danach bis 2010 Vorstand. In dieser Funktion gelang es ihm, den Personalstand des Instituts sowohl für ProfessorInnen, als auch für MitarbeiterInnen maßgeblich zu erhöhen. In seine Zeit als Vorstand fielen auch die entscheidenden und langwierigen Verhandlungen für das neue Haus in der Währinger Straße.
Hannes Haas, der auch in Zürich lehrte, war Mitglied zahlreicher universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen und Gremien, Herausgeber und Mitherausgeber einer Reihe von Fachpublikationen des In- und Auslandes, sowie Mitglied einer Vielzahl in- und ausländischer wissenschaftlicher Gesellschaften, wie der International Communication Association (ICA), der European Communication Research and Education Association (ECREA), der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, der Österreichischen Gesellschaft für Kommunikationswissenschaft (ÖGK) und anderen mehr.
2007 übernahm Hannes Haas die Leitung der von Wolfgang R. Langenbucher ins Leben gerufenen Theodor-Herzl-Dozentur für Journalismus und konnte dafür eine Reihe von renommierten Journalistinnen und Journalisten, wie Antonia Rados, Alice Schwarzer, Florian Klenk, Heribert Prantl, Armin Wolf und zuletzt Alexandra Föderl-Schmid gewinnen. Sie alle repräsentieren auf unterschiedliche Weise ein Verständnis von Journalismus, das in zunehmendem Maße verloren zu gehen droht: nämlich das Verständnis von Journalismus als für die entwickelte, demokratische Gesellschaft unverzichtbare Kulturleistung. In seiner Habilitationsschrift „Empirischer Journalismus. Verfahren zur Erkundung gesellschaftlicher Wirklichkeit“ (1999) beschreibt Hannes Haas den modernen Qualitätsjournalismus als – den Sozialwissenschaften verwandtes – soziales Erkenntnissystem. Und er schließt seine Arbeit in der Hoffnung, dass dieses empirische Erkenntnisunternehmen „angesichts dynamischer Veränderungen durch Ökonomisierung, Beschleunigung, Informationsflut etc. seinen medialen und gesellschaftlichen Platz neben anderen Journalismen festigen (wird)“.
Möge diese Hoffnung zum Vermächtnis werden für alle diejenigen, die sich in der Wissenschaft, der Politik und in den Medien für dieses Qualitätsverständnis von Journalismus verantwortlich fühlen …
Maximilian Gottschlich