Rundruf.Verlagshäuser im In- und Ausland haben Tablet-PCs wie den iPad als Heilsbringer begrüßt. Kaum war der iPad in Österreich auf dem Markt, wurden von den Tageszeitungen schon eigene iPad Apps präsentiert. Endlich, so glauben viele Medienmacher, wird man im Internet substanziell Geld verdienen können. Dazu braucht es aber zusätzliche (multimediale) Inhalte, die über das in Print und schon bisher im Web veröffentlichten Content hinausgehen. Eröffnen sich durch Tablet-PCs wie den iPad auch neue Chancen für PR-Agenturen ihre Kunden „unterzubringen“? Der »OBSERVER«-Letter fragte bei PR-Agenturchefs nach.
„Ich bin fest davon überzeugt, dass Mobile für Verlage eine große Chance bedeutet. Smartphones und Tablets ermöglichen ein sinnliches Leseerlebnis und werden die Zeitungen und Zeitschriften der Zukunft sein“, erklärte Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende des Axel Springer Verlags im Rahmen einer Keynote-Speech bei der Digital-Marketing-Messe und -Konferenez Mitte September und fügte hinzu: „Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, können wir unsere Geschäftsgrundlage erweitern.“ Das mobile Internet werde das stationäre Netz bei der Nutzung in drei bis vier Jahren deutlich überholt haben, so döpfner. Davon könnten Verlage mit der richtigen Strategie sehr stark profitieren. Verlagshäuser – so Döpfner – sollten sich auf ihre Kernkompetenz, die Erstellung von einzigartigen Inhalten konzentrieren. „Wenn die Verlage es richtig machen, dann haben wir eine Chance, unser Geschäftsmodell auf eine neue inhaltliche Basis zu stellen“, glaubt Döpfner. Bald werde es eine Vielzahl von verschiedenen Tablets geben. Auf diesen Geräten werden Text, Bild, Ton und Video miteinander verschmelzen. Zusammen mit einer sehr intuitiven Bedienung und einer hohen Mobilität werden Tablets wie das iPad eine neue Leseerfahrung ermöglichen. Döpfner warnt die Verlagshäuser allerdings: „Den Fehler aus dem stationären Web sollten wir auf keinen Fall wiederholen.“ Das Gegenmodell zur Kostenloskultur werde sich auch in der digitalen Welt durchsetzen müssen. Denn: „Die Menschen zahlen seit Jahrhunderten für Dinge, die sie wirklich haben wollen.“
Der Chef eines der größten Verlagshäuser ist also vom kommenden Siegeszug der Tablet-PCs überzeugt. Was heimische PR-Agenturchefs vom vermeintlichen Heilsbringer iPad erwarten und inwiefern sie glauben, dass Tablet-PCs auch ihre Arbeitsweise und ihre Möglichkeiten verändern werden, lesen Sie nachfolgend.
Multimediale Inhalte mitliefern
„Als PR-Agentur muss man den Trend zur Digitalisierung der Medien sehr ernst nehmen und in der Planung bereits frühzeitig berücksichtigen“, wissen Annabel Loebell und Grazia Nordberg von der Wiener PR-Agentur loebellnordberg (www.loebellnordberg.com). In Zukunft werde es – so die beiden Agenturchefinnen – nicht mehr ausreichen, Journalisten allleine mit Textinformationen und Fotomaterial auszustatten, sondern ihnen ebenfalls multimediale Inhalte anzubieten. Und das sei „ein Thema, das man bei aller Euphorie für New Media auch kritisch betrachten muss, da die Aufbereitung von professionellem multimedialem Content arbeitsintensiv und teuer ist – was sich große Konzerne leisten können und werden, kleineren Unternehmen aber einen Wettbewerbsnachteil an der digitalen Newsfront bringt“, so Loebell und Nordberg.
Videos ersetzen Fotos
„Die PR von morgen befindet sich weiterhin im Wandel: Inhalte müssen noch viel mehr einen Mehrwert für die Zielgruppen bieten, multimedialer Content wird immer relevanter“, erklärt Beatrix Xias, Leiterin der PR-Agentur innerhalb der Agenturgruppe Martrix (www.martrix.at): „Pressefotos werden zukünftig durch Pressevideos ergänzt werden.“ Was der Austellung ihrer Agentur zu Gute komme: „Neben unserem PR-Know-how sind wir mit unserer Onlinemarketing-Unit für diese Anforderungen bestens gerüstet. Gleichzeitig sind wir mit einer Filmproduktion im Hause bereits heute in der Lage, rasch und flexibel notwendigen, multimedialen Content zu generieren.“ Insgesamt brächten die neuen Tablet-PCs einen beträchtlichen Vorteil: „Es besteht kein Medienbruch zwischen Print- und Onlinekanal, wodurch die Konsumenten direkt auf Inhalte der Werbetreibenden weitergeführt werden können.“
„Was kannst Du?“ statt „Wen kennst Du?“,
„Die Entwicklungen im Online-Bereich revolutionieren bereits seit einigen Jahren die PR-Arbeit fast täglich“, weiß Dr. Christoph Bruckner, Gründer der Agentur Milestones in Communications (www.minc.at). Die Tablet-PCs seien nur eine von vielen Neuerungen, die die PR-Orgel mit neuen Tasten und Manualen versieht: „Es können deshalb aber nicht mehr Musikstücke gespielt werden, sondern nur die bestehenden Stücke mit mehr Facetten und Stimmen ausgefüllt werden. Das macht unsere Arbeit anspruchsvoller und wertvoller.“ Bruckner ist der festen Ansicht, dass die Zahl jener Unternehmen, die glauben, sie hätten ihre PR-Pflicht mit ein paar Pressekontakten getan, weiter sinken werde: „Das ist gut für eine Branche, die sich seit vielen Jahren um Professionalisierung bemüht. Die Grundfrage an PR-Profis lautet künftig nicht mehr „Wen kennst Du?“, sondern „Was kannst Du?“.“
Neue Chance in Krisenzeiten
„Prinzipiell heißen wir natürlich jeden neuen Medienkanal willkommen und sehen darin eine Möglichkeit, die Themen unserer Klienten, die wir repräsentieren dürfen, zu platzieren“, betont Julia Köberl, Gründerin und Chefin der Agentur pr-unit (www.pr-unit.at): „Das Apple iPad bzw. die Applikationen österreichischer Verlage, stellen derzeit aus meiner Sicht lediglich einen Kanal dar, um die Leserzahl der Inhalte, die auch online bzw. in der Print-Ausgabe erscheinen, zu erhöhen.“ Köberl weiter: „Meiner Beobachtung nach gibt es noch keine eigenen Redaktionen für die iPad-Ausgaben bzw. werden hier die Chancen, auf die expliziten Möglichkeiten, die dieses Tool in der Berichterstattung bietet, einzugehen noch nicht genutzt.“ Somit stelle das iPad – so Köberl – noch keinen eigenen Kanal, der in der Medienarbeit berücksichtigt werden muss, dar: „Jedoch möchte ich erwähnen, dass das iPad für PR und Krisenkommunikation als solche wesentliche Chancen birgt. So etwa das rasche Eingehen auf (Negativ)-Meldungen in Social Media Kreisen und Blogs (z.B. durch die eigenen features zum monitoren) oder a
uch die Möglichkeit, eigene Applikationen zu erstellen, um Interessierte rasch und proaktiv mit weiteren Informationen, Bildern,… etwa bei Krisen zu versorgen.“
Kein Einfluß auf die PR-Arbeit
„Ich denke nicht, dass PR Arbeit durch das iPad beeinflusst wird“, meint Ines Glatz-Deuretzbacher, Geschäftsführerin und Inhaberin von november design & pr (www.november.at): „Wenn eine Story wirklich gut ist, wird vom jeweiligen Medium selbst die entsprechende mediale Umsetzung erstellt – wenn nicht, wird die Geschichte auch dann nicht genommen, wenn schon etwas vorproduziert wurde.“ Glatz-Deuretzbacher glaubt nicht, „dass Kunden dazu bereit sind, nur für iPad-Kunden die Extra-Kosten zu bezahlen, wenn die Veröffentlichung nicht sicher ist.“ Aber: „Vielleicht kommt das ja noch, wenn die Zahl der iPad-User größer wird“, so Glatz-Deuretzbacher abschließend.