Das Projekt „Menschlichkeit fährt Bahn – Krisenkommunikation durch Newsroom-Strukturen in der Flüchtlingssituation 2015“ der ÖBB Holding und der Agentur Pick & Barth Digital Strategies wurde mit dem Staatspreis Public Relations 2016 ausgezeichnet. Im Interview gehen Michael Schacherhofer, Leiter Corporate Digital Media ÖBB Holding AG und Josef Barth, Geschäftsführer Pick & Barth Digital Strategies, auf die hinter der Kampagne stehende Kommunikationsstrategie, die gesetzten Kommunikationsmaßnahmen und die persönlichen Learnings aus dem Projekt ein.
OBSERVER: Die ÖBB wurden für das Projekt „Menschlichkeit fährt Bahn – Krisenkommunikation durch Newsroom-Strukturen in der Flüchtlingssituation 2015“ mit dem vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ausgelobten Staatspreis Public Relations 2016 ausgezeichnet. Was macht das Projekt aus Ihrer Sicht auszeichnungswürdig?
Michael Schacherhofer: In der klassischen Krisenkommunikation nimmt die Vorbereitung eine sehr wichtige Rolle ein. Auf die im Jahr 2015 eingetretene Flüchtlingsbewegung durch Europa kann man sich als Unternehmen aber nicht vorbereiten. Alle Entscheidungen, auch die kommunikativen, mussten extrem schnell und dennoch gut durchdacht getroffen werden. Die Bahn stand plötzlich im Mittelpunkt einer „Krise“. Und ich will mir nicht vorstellen, wie diese ausgegangen wäre, wenn wir als Unternehmen und wir in der Kommunikation nicht so gehandelt hätten, wie wir es getan haben.
Josef Barth: Das Projekt ist deshalb auszeichnungswürdig, weil die Kommunikation punktgenau war – sowohl, was Information, als auch, was Emotion betrifft. Wir haben richtig eingeschätzt, in welcher Situation sich die jeweils Betroffenen gerade befinden, richtig antizipiert, welche Information sie wann brauchen werden, und sie ihnen genau zum richtigen Zeitpunkt gegeben, damit sie bestmöglich danach handeln können. Es war eine einzigartige Situation, die nur so gut ausging, weil alle Entscheidungsträger ihre Verantwortung wahrgenommen und die nötigen Entscheidungen einfach getroffen haben – ohne große Meetings, ohne große Rückversicherungen. Und – das darf ich als Agentur sagen – weil sie uns auch einfach vertraut haben, dass wir wissen, was wir tun.
OBSERVER: Wie wurde die PR-Kampagne strategisch angelegt, und welche Kommunikationsmaßnahmen standen dabei im Mittelpunkt?
Schacherhofer: Wie schon erwähnt: Für lange strategische Entscheidungsfindungsprozesse war keine Zeit. Dennoch und vor allem deshalb gab es eine klare Richtung: „Digital First“. Die digitalen Kanäle haben sich in der Situation als äußert schnell und effektiv erwiesen. Wir konnten Bahnfahrer informieren, Journalisten servicieren, NGOs und private Initiativen involvieren und die breite Öffentlichkeit am Laufenden halten. Im Mittelpunkt stand ein „Digital Newsroom“ und der ÖBB-Blog, der in diesen Tagen Drehscheibe für die gesamte digitale Kommunikation zu allen Stakeholdern war.
Barth: Es sind zwei Projekte in einem: Einerseits die digitale Echtzeitkommunikation mit den Betroffenen durch einen Newsroom, durch den Tausende Menschen gelenkt und organisiert werden konnten – auf den Bahnhöfen selbst und auf ihren Wegen dorthin. Andererseits die Verständniskampagne für die Außenstehenden, die online und offline einbezogen wurden, die es ihnen möglich machte, nicht nur Zuseher einer Problemsituation, sondern vielmehr Teil der Lösung zu sein.
OBSERVER: Was war die konkrete Zielsetzung des Projekts, und welche Stolpersteine haben sich Ihnen bei der Umsetzung in den Weg gelegt?
Schacherhofer: Die konkrete Zielsetzung über alle unsere Aktivitäten in dieser Zeit hinweg war, „den Bahnverkehr in Österreich am Laufen zu halten“. Auch wir in der Kommunikation haben immer für dieses Ziel gearbeitet. Wir haben hierfür Autokonvois gelenkt, die zivilen freiwilligen Helfer und Helferinnen gesteuert und auch unsere Kunden und Kundinnen bestmöglich informiert. Stolpersteine lauerten an jeder Ecke. Wir waren plötzlich im Mittelpunkt einer nie dagewesenen Krise. Alle Augen waren auf uns und unsere Mitarbeiter gerichtet.
Barth: Vor allem war es wichtig, immer für absolute Klarheit zu sorgen, um Gerüchten und Falschmeldungen vorzubeugen und Verunsicherung zu vermeiden. Denn in derartigen Krisen gibt es immer wieder auch einzelne Player, die die Unübersichtlichkeit der Situation ausnutzen, um gezielt Falschmeldungen zu verbreiten und somit ihre eigene Ziele zu befeuern. Und sollte dennoch einmal ein Gerücht in Umlauf gekommen sein – und es gab dutzende –, dann wurden diese schnellstmöglich widerlegt und eingefangen.
OBSERVER: Was nehmen Sie und Ihre Mitarbeiter persönlich aus dem Projekt mit? Und was haben Sie aus der Kampagne gelernt, das Sie für Ihre weitere PR-Arbeit nutzen können?
Michael Schacherhofer: Persönlich werde ich die Tage im September 2015 nie vergessen. Es waren arbeitstechnisch mit Sicherheit die intensivsten Tage meiner Laufbahn, und wenn ich eines mitnehme, dann die Gewissheit, dass mit einem guten Team alles schaffbar ist. Ein zentrales Learning war, dass es kommunikativ wichtig ist, zuerst das Problem zu schildern und dann die Lösung. Denn für nicht direkt Involvierte ist es in solch komplexen Situationen nicht immer einfach, manche Entscheidungen nachvollziehen zu können, weil sie erst gar nicht das zugrundeliegende Problem erkennen. Aus dieser „Nichtinformiertheit“ können aber sehr schnell Gerüchte und Vermutungen entstehen, die man dann wieder mühsam einfangen muss.
Barth: Das Projekt hat uns klar gezeigt, dass Newsroom-Strukturen die Zukunft der Kommunikation sind. Nur mit einem starken Owned-Media-Ansatz, durch den man jederzeit selbst crossmedial Content produzieren und ausspielen kann, lassen sich derartige Krisensituationen effizient meistern.
OBSERVER: Wie wichtig sind Auszeichnungen im Kommunikationsbereich Ihrer Ansicht nach generell? Was halten Sie von Werbe- und PR-Preisen?
Schacherhofer: In meiner täglichen Arbeit habe ich Awardshows und Preisverleihungen nicht im Kopf und strebe dies auch nicht an. Im Mittelpunkt muss immer der Kunde/die Kundin stehen. Wenn man seine Arbeit gut macht, dann schafft man die Grundlage für mögliche Auszeichnungen, die ich prinzipiell für gut und wichtig halte. Denn am Ende will jeder wissen, wer denn nun wirklich gut war.
Barth: Mal abgesehen von dem ganzen Brimborium drum herum. In einem Land, in dem viel zu viel über Status definiert wird, sind Auszeichnungen für eine konkrete Leistung eine gute Sache. Wenn die Entscheidung von einer fachkundigen Jury nach harten Kriterien getroffen wird, ist es vor allem für die vielen Mitarbeiter schön, die sonst oft nur im Hintergrund agieren. Für sie ist es schön, wenn ihre professionelle Arbeit auch öffentliche Anerkennung findet – und sie mit Recht stolz auf ein gutes Ergebnis sein können.
Der Staatspreis Public Relations
Der PRVA richtet seit über 30 Jahren den vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ausgelobten Staatspreis Public Relations aus. Ausgezeichnet werden herausragende Kommunikationsleistungen in sechs Kategorien: Corporate PR, Corporate Social Responsibility (CSR)-Kommunikation, Digitale Kommunikation, Interne PR und Employer Branding, Produkt- & Service-PR und PR-Spezialprojekte/ Innovationen. Eine Fachjury wählt aus den eingereichten Projekten zuerst jeweils drei Nominierte in den sechs Kategorien aus. Danach wählt die Fachjury aus den jeweils drei Nominierten einen Kategoriesieger aus. Aus der Riege der sechs Kategoriesieger kürt man schließlich den Gewinner des Staatspreises Public Relations.
Die Juroren des Staatspreis PR 2016. Kristin Hanusch-Linser (Unternehmen/Staatspreisträger 2015),Andrea Pavlovec-Meixner (Die GrüneWirtschaft,Werbung und Marktkommunikation). Mark Eisenegger (Universität Salzburg), Jens Seiffert-Brockmann (Universität Wien), Sieglinde Martin (FH Wien der WKW), Markus Kiesenhofer (VÖZ), Kristin Engelhardt (EPU). Susanne Senft (PRVA-Präsidentin), Roman Geiser (Bund der PR-Agenturen Schweiz). Marta Anna Foltin (prNa), Christian Schrofler (VIKOM), Heinz Fischer (FH Joanneum),Wolfgang Schneider (bmwfw) und Sabine Fichtinger (Juryvorsitzende und PRVA-Generalsekretärin). (c) PRVA