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Neue Medien brauchen neue Regeln

Eingeständnis und Strategiewechsel.Ein prominent besetztes Podium aus Medienwissenschaftern, Ethik-Fachleuten und Medienwirtschaft diskutierte bei den Alpbacher Reformgesprächen das Geistige Eigentum und seinen Schutz und kam dabei auf erstaunliche Schlüsse.
Die Regeln der Print-Gesellschaft lassen sich nicht einfach auf das Internet anwenden, so der breite Konsens am Podium und im Publikum. Während Information frei fließen muss, darf das nicht als automatisch kostenlos verstanden werden.

Norbert Bolz, Professor für Medienwissenschaften an der TU Berlin, beklagte in seinem Vortrag den Wandel der Kultur, der zum Untergang des Humboldtschen Weltbildes führt. Es ist die Welt des Werkes und der Autorenschaft, der Experten und Autoritäten. Durch das Internet wird die besondere Position des Gelehrten ausgehebelt. Für Bolz fehlt es der Internetkultur an der konkreten Ordnung, die alle akzeptieren und befolgen. Deshalb driften Legalität und Legitimität auseinander. Regeln, die bekannt, aber nicht akzeptiert werden, werden auf breiter Basis missachtet und das ohne schlechtes Gewissen und quer durch alle Bevölkerungsschichten.

Der ungeregelte Raum zieht Piraten an, wobei für ihn dahinter eine breite Bewegung des akademischen Kollektivismus und Egalitarismus steht.

Kopie und Remix müssen unterschieden werden

Bolz kann dem Vorschlag von Lawrence Lessig der Unterscheidung von Kopie und Remix etwas abgewinnen. Wenn auf breiter Basis nicht mehr nur Künstler, sondern jeder vorhandene Werke zu etwas Neuem kombinieren und veröffentlichen kann, müssen andere Maßstäbe angelegt werden. Remix ist die neue Form der Kombinatorik, die auch ohne die dem Urheberrecht typischen Genehmigungsabläufe erlaubt sein muss. Die Grenze liegt bei der Kopie um des Verkaufens Willen und damit wohl eher im Wettbewerbsrecht, als im Urheberrecht. Für dieses ist Entgeltlichkeit ja kein relevanter Wert, ob ein Eingriff in ein Recht stattfand oder nicht.

Neue Regeln nicht von alten Männern

Durch das Auseinanderdriften von Legalität und Legitimität, also die mangelnde Akzeptanz der bestehenden Regeln, ist die Definition von neuen Regeln nötig geworden. Wenn Abermillionen kriminelle Jungendlich im Internet tätig sind, so Bolz, führt das vielleicht dazu, daß die Regulierungen komplett geändert werden müssen. Es ist aber aussichtslos, dass „alte Männer“ hier neue Regeln finden und, so Bolz, sind die Piraten „ein heilsamer Stachel im Fleisch, die den Fehler im System aufzeigen“.

Unterschied von Idee und Information

Hannes Eder, Präsident des Verbandes der österreichischen Musikindustrie IFPI pflichtete Bolz in seiner Unterscheidung von Information und Idee bei. Aus viel Information alleine entsteht noch nichts Besonderes. Es braucht die Idee. Eder ergänzt dies noch und führt die Eigentümlichkeit, die ein Werk haben muss auf die Genialität des Künstlers zurück, die das Schützenswerte sei. Die Idee ist schon da, bevor es noch überhaupt ein Werk gibt. Das Urheberrecht schützt zwar nur die Ausführung – das Werk, aber Geistiges Eigentum ist für Eder mehr als Urheberrechte, eben auch die Genialität des Künstlers, der aus Informationen etwas Besonderes schaffen kann.

„Die Musikindustrie hat große Fehler gemacht mit dem Versuch das Internet wegzubringen und seine Risiken zu minimieren“, so Eder. „Es soll niemand kriminalisiert werden und es sind auch nicht mehr nur Jugendliche. Es geht nicht über die Androhung von Gefängnisstrafen. Musik ist Ware und der Wert des geistigen Eigentums muss das Spiegelbild einer Gesellschaft sein.“

Künstler wollen gehört und verbreitet werden und es sollen die Kunden nicht kriminalisiert werden. In der wirtschaftlichen Betrachtung muss das Risiko aber minimiert werden, dass gleich alles vergesellschaftet wird und damit frei zugänglich ist. Hier muss der Schutz ansetzen. Eder geht damit auf die Problematik des Urheberrechtes ein, dass in vielen Belangen eigentlich wettbewerbsrechtliche Thematiken über das Urheberrecht ausgetragen werden. Damit wird das Urheberrecht in vielen Belangen überstrapaziert.

Der freie Wissenszugang muss gewährleistet sein, aber frei darf nicht gratis heißen und die (noch zu definierenden) Spielregeln müssen international einheitlich sein. Das ist die große Herausforderung.

Freier Zugang ist zentral

Der Free Flow of Information muss gesichert sein, so die Vorsitzende der Ethik-Kommission der Medizinischen Universität Wien Christiane Druml. In der Wissenschaft wurde früher hinter verschlossenen Türen geforscht, was zu mangelnder Kontrolle und einer langsameren Entwicklung geführt hat. Es ist im hohen Interesse der Gesellschaft und der Wissenschaft, dass die Ergebnisse pubiziert und ausgetauscht werden. Das führt zu einer schnelleren Entwicklung und vermeidet Fehler, die im Bereich der Pharmazeutik auch lebensentscheidend sein können. Deshalb ist der freie Fluss der Informationen notwendig und darf nicht behindert werden.

Es geht um das Herstellen einer Balance zwischen dem Recht auf Zugang zu geistigem Eigentum und dem Recht auf Nutzung der eigenen Werke, so Wolfgang Benedek, Leiter des Instituts für Völkerrecht an der Uni Graz und Mitglied des internationalen Gremiums zur Schaffung einer Global Governance. Die Piraterie ist wohl auch eine Reaktion auf die Gängelung durch die Industrie. Die Balance muss so hergestellt werden, dass es (Anm. das geistige Eigentum) so geschützt ist, dass es sich nicht ad absurdum führt in einem Cyberspace.

Den sehr unterhaltsamen Abschluss bildete der Theologe Clemens Sedmak, der auf die Bedeutung des Remix in der Religion hinwies. Dort werden immer bekannte Elemente neu gemischt. Kreativität wird durch Pluralismus, Risiko und Freiheit hervorgebracht. Kultur ist das, was mehr wird, wenn es geteilt wird. Es ist ein kooperatives Gut.

So war die Einigkeit über die Notwendigkeit neuer Regeln und vor allem die mangelnde Anwendbarkeit des bestehenden Urheberrechtes auf den Cyberspace gegeben. Der Zugang zu Information ist ein durch Menschenrechte geschütztes Gut ebenso wie die Rechte der Urheber. Durch die schnellere und einfachere Nutzung von bestehenden Werken für neue Werke und die Demokratisierung dessen, entstehen neue Herausforderungen. Wer früher Konsument war, wird durch die Technik in Produktion (Handycamera) und Verbreitung (Youtube) auch zum Kunstschaffenden.

Weiters ist Kooperation in hohem Maße Alltag bei der Schaffung von Werken. Damit gibt es bei kaum einem Werk nur einen Urheber und damit einen Ansprechpartner für die Verwertung. Damit sind die administrativen Herausforderungen für die potentiellen Nutzer von Werken und deren Weiterentwicklung zu neuen Werken oft kaum zu bewältigen und führen zur konsequenten Missachtung.

Jedenfalls bleibt es spannend und das Immaterialgüterrecht wird seinem Ruf, das aufregendste Rechtsgebiet (Prof. Guido Kucsko) zu sein voll gerecht. Unsere Leser bleiben jedenfalls über die Entwicklungen aktuell informiert.

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