Für das Projekt „Eröffnung Wiener Hauptbahnhof“ wurde die ÖBB mit dem Staatspreis für PR ausgezeichnet. Kristin Hanusch-Linser erläutert im »OBSERVER«-Interview, was der Gewinn des Staatspreises PR für das Unternehmen bedeutet.
OBSERVER: Die ÖBB wurden für das Projekt „Eröffnung Wiener Hauptbahnhof“ mit dem Staatspreis PR des PRVA ausgezeichnet. In der Jurybegründung heißt es: „Durch gezielte, strategische Kommunikation wird gezeigt, wie kontinuierliche und integrativ ausgerichtete Kommunikationsarbeit ein national bedeutsames Infrastrukturprojekt erfolgreich unterstützt.“. Was macht das Projekt aus Ihrer Sicht auszeichnungswürdig?
Kristin Hanusch-Linser: Der Wiener Hauptbahnhof ist DAS wichtigste Mobilitätsinfrastrukturprojekt in Wien, bedeutend für ganz Österreich und mit europäischer Dimension. Skandalfrei, in time & money gebaut und unter Einbindung der Wiener Bevölkerung seit dem ersten Spatenstich. Ein Leuchtturmprojekt der Stadt Wien und der ÖBB. Gleichzeitig entsteht rund dem den neuen Bahnhof ein Trend-Stadtviertel – neues Leben auf alten Gleisen. Wir haben weit über die Anrainer und bahn-affinen Zielgruppen hinaus kommuniziert und dabei völlig unterschiedliche und vor allem neue Kommunikationskanäle genutzt. Eine ganz besondere Rolle darin spielt das Bahnorama. Dort haben wir schon zum Projektstart veranschaulicht und visualisiert, was die Bewohner und Bürger erwarten wird, woran wir wann konkret arbeiten werden und welchen Nutzen der Wiener Hauptbahnhof bringen wird. Der Anklang war riesig, mehr als 300.000 Besucher haben den kostenpflichtigen Besucherturm besucht und einen Ausblick über die Baustelle erhalten. Dazu gab es Baustellenbesuche für Kinder, Anrainer und Schulklassen, spezielle Blogs für einzelne Anlässe, klassische Kommunikation, und wir haben auch mit neuen Kommunikationskanälen experimentiert, zum Beispiel mit einem Instagram-Walk. Der Hauptbahnhof ist über sechs Jahre entstanden, daher war und ist es umso wichtiger, Kontinuität in der Kommunikation zu sichern, am Ball zu bleiben, die Menschen mit einzubeziehen und die einzelnen Kanäle eng zu verflechten. Die Anrainer beider Bezirken (Favoriten und Margarethen) spielen dabei eine entscheidende Rolle, schließlich sind sie es, die über Jahre mit einer Baustelle vor der Haustüre leben mussten. Mit dem Bahnorama und einem eigenen, unabhängigen Ombudsmann haben sind wir hier ganz neue Wege gegangen um die Menschen in ihrem Informationsbedürfnis abzuholen. Auch die Mitarbeiter des Unternehmens müssen mit einbezogen werden: Sie sind Kommunikationsmultiplikatoren nach außen, daher ist es wichtig darauf zu achten, dass sie gut informiert sind und bleiben. Mit unserem Intranet und der Mitarbeiterzeitung haben wir dies sichergestellt.
Die Jurybegründung für die Staatspreis-PR-Siegerkampagne „In der Kommunikation zur „Eröffnung Wiener Hauptbahnhof“ wurden unter dem Motto „Mehr als ein Bahnhof“ weit über die klassischen ÖBB-Zielgruppen hinaus kommuniziert. Durch gezielte, strategische Kommunikation wird gezeigt, wie kontinuierliche und integrativ ausgerichtete Kommunikationsarbeit ein national bedeutsames Infrastrukturprojekt erfolgreich unterstützt.“ (c) ÖBB / Roman Boensch
OBSERVER: Wie wurde die PR-Kampagne rund um die Eröffnung des Wiener Hauptbahnhofs strategisch angelegt und welche Kommunikationsmaßnahmen standen dabei im Mittelpunkt?
Kristin Hanusch-Linser: Transparente Kommunikation von Beginn der Bauarbeiten war das Geheimnis. Mit Alexandra Kastner und ihrem Team, die sich bis zur Eröffnung rund um die Uhr um die Anrainer- und Projektkommunikation gekümmert haben. Das Besucherzentrum bahnorama wurde sogar mit den Deutschen PR-Preis für Anrainerkommunikation ausgezeichnet. In der jüngeren Vergangenheit hat die Kampagne „Mehr als ein Bahnhof“ von Sommer 2014 über die Eröffnung im Herbst 2014 bis hin zur Vollinbetriebnahme im Dezember 2015 die Fahrgäste am neuen Hauptbahnhof begrüßt und sie über sämtliche Vorteile des großen Infrastrukturprojektes charmant informiert. Die Kampagne beinhaltete auch auffällige Out-of-home-Werbung, beispielsweise speziell gebrandete Züge. Es ging auch darum, Neugier und Vorfreude erzeugen. Durch zielgruppengerechten und effizienten Media-Einsatz wurden die Themenvielfalt und die Vorteile der ÖBB für die einzelnen Stakeholdergruppen transparent kommuniziert. Die Kommunikationsstrategie der ÖBB setzt auf eine starke Vernetzung einzelner Kommunikationsmaßnahmen, von klassischen PR-Maßnahmen (etwa laufende Presseinformationen) über interne Kommunikations- und Informationsangebote sowie Social Media-Aktivitäten bis hin zur großen, öffentlichen Eröffnungsfeier mit mehr als 300.000 Menschen, die an den drei Tagen mitgefeiert haben.
OBSERVER: Was war die konkrete Zielsetzung des Projekts und welche eventuellen Stolpersteine haben sich Ihnen bei der Umsetzung in den Weg gelegt?
Kristin Hanusch-Linser: Eine der größten Herausforderungen bestand darin, die vielen unterschiedlichen, positiven Aspekte des Projekts Wiener Hauptbahnhofs zu kommunizieren. Hier entsteht der größte und leistungsstärkste Bahnhof Österreichs, er ist ein Bahnhof für 9 Nationen, 9 Bundesländer, schon bald wird alle 90 Sekunden ein Zug dort fahren und wird die Verkehrsträger Flugzeug und Bahn erstmals leistungsfähig verbinden. Aber er ist noch viel mehr als das, was die Bezeichnung „Bahnhof“ vermuten lässt. Daher haben wir uns für die Kampagnentitel „Mehr als ein Bahnhof“ entschieden. Denn er ist auch ein Hauptlebenshof: Hier entstehen 5.000 Wohnungen für etwa 13.000 Menschen und ein großer, rund 8 Hektar großer Park zur Erholung. Er ist ein Hauptarbeitshof, denn hier entstehen auf 550.000 Quadratmetern Bürofläche rund 20.000 Arbeitsplätze. Und er ist ein Hauptbildungshof, im neuen Stadtviertel Sonnwendviertel entsteht ein Bildungscampus mit Schulen und Kindertagesheime für 1.200 Kinder. Fahrgäste, Anrainer, die breite Öffentlichkeit und alle Interessierten mussten genau über Zeitplan und Eröffnungstermin des Bahnhofsbaus informiert werden. Die Fahrgäste sollten bei der Neuorientierung in der modernen Verkehrsstation begleitet werden und die Themenvielfalt und Benefits des Gesamtprojektes kommuniziert werden. Mit den passenden Maßnahmen haben wir den Spannungsbogen bis zu den Eröffnungsfeierlichkeiten im Herbst 2014 aufgebaut und so Vorfreude auf den größten und modernsten und innovativsten Bahnhof erzeugt.
OBSERVER: Was bedeutet der Gewinn des diesjährigen Staatspreises PR für die ÖBB?
Kristin Hanusch-Linser: Eine solche Auszeichnung gehört einem niemals allein, sie gehört immer dem ganzen Unternehmen. Der Gewinn des Staatspreises für PR 2015 ist eine Auszeichnung für alle und jeden Einzelnen, die an diesem Riesenprojekt mitgearbeitet haben. Dass unsere Arbeit von erfahrenen Medienprofis anerkannt wurde, ist eine besonders schöne Anerkennung für alle Beteiligten.
OBSERVER: Was nehmen Sie und Ihre Mitarbeiter persönlich aus dem Projekt mit? Und was haben Sie aus der Kampagne gelernt, was Sie für Ihre weitere Arbeit bei der ÖBB nutzen können?
Kristin Hanusch-Linser: Wir haben alle sehr viel darüber gelernt, wie das Zusammenspiel von klassischer und neuer PR-Arbeit gelingen kann, wie Teams konzernübergreifend kooperieren können und vor allem wie man in einer zunehmend atomisierten Medienlandschaft die Botschaft nicht aus den Augen verliert . Wir sehen diese Erfahrungen ein wenig als Blaupause und Wegweiser für kommende Projekte. Der Mut, neue Wege zu gehen muss uns bleiben und wir werden weiterhin unsere Mitarbeiter motivieren „Out of the Box“ zu denken und unrealistisch Anmutendes umzusetzen.
OBSERVER: Haben Sie im Vorfeld der Staatspreisvergabe eigentlich damit spekuliert, dass das Projekt gute Chancen auf den Hauptpreis haben könnte?
Kristin Hanusch-Linser: Darauf darf man hoffen, aber keinesfalls damit rechnen: Umso mehr freut uns das Ergebnis. Wir haben aber auch gesehen, dass die Kollegen der anderen Unternehmen ebenfalls sehr spannende und ambitioniert umgesetzte Projekte eingereicht haben. Dass die aus Medienprofis bestehende Fachjury dennoch unser Projekt zum Sieger gekürt hat, ist natürlich eine besondere Ehre.
OBSERVER: Wie wichtig sind Awardshows im Kommunikationsbereich Ihrer Ansicht nach generell? Was halten Sie von Werbe- und PR-Preisen?
Kristin Hanusch-Linser: Ich halte solche Preise für wichtig, denn sie machen die Erfolge einer Branche sichtbar, die manchmal im Verborgenen arbeitet oder nur schwer greifbar oder messbar ist – das betrifft vor allem die PR. Aber fast immer ist die geleistete kreative, fachlich fundierte Arbeit dieser Branche der Innovationsmotor für Fortschritt und Wachstum. Neues und besseres kann nur in einem Klima von Neugier und Wissenslust entstehen. Kommunikationsarbeit ist immer auch Überzeugungsarbeit, wir wollen Werte vermitteln und Vertrauen schaffen. Eine Marke ist nicht Dekorationsgut sondern Orientierungsanker im täglichen Entscheidungsdruck der vorhandenen Möglichkeiten. Die Aufgabe der Marke ist daher die Vermittlung von Einfachheit und Sicherheit. Deshalb müssen starke Marke alles dafür tun, dass Menschen sich an sie gewöhnen, sie als vertraut empfinden und somit auch eine Beziehung herstellen. Dies ist eine kontinuierliche Arbeit, welche stets neuer Inputs bedarf und den Mut neue Wege zu beschreiten. Wenn dieser Arbeit eine Auszeichnung verliehen wird, stärkt es die Motivation der Mitarbeiter und kommt im Ende dem Kunden zugute, da es ein Beleg für die erfolgreiche Etablierung der Marke ist.
Dr. Kristin Hanusch-Linser ist seit 2010 Konzernsprecherin und Leiterin Kommunikation und Marketing der ÖBB-Holding AG: „Wir haben alle sehr viel darüber gelernt, wie das Zusammenspiel von klassischer und neuer PR-Arbeit gelingen kann, wie Teams konzernübergreifend kooperieren können und vor allem wie man in einer zunehmend atomisierten Medienlandschaft die Botschaft nicht aus den Augen verliert.“ (c) Hauswirth/ÖBB
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