Nachlese

Gerhard Zeiler, Präsident von Turner Broadcasting System International, hielt die Keynote bei den Österreichischen Medientagen in Wien

Reaktionen auf die Digitalisierung liegen aus Zeilers Sicht „zwischen Euphorie und Angst, zwischen Kulturoptimismus und Kulturpessimismus, zwischen Fortschrittsglaube und Zukunftsangst“.

Nach der Eröffnung der Österreichischen Medientage am WU Campus Wien durch Veranstalter Hans-Jörgen Manstein schilderte Gerhard Zeiler, einst ORF-Generalintendant sowie CEO der RTL Group und heute Präsident von Turner Broadcasting System International, seine Sicht der Dinge der Digitalisierung der Medienwelt und der Welt als ganzes. Sein Plädoyer: „Wir müssen in der digitalen Welt ankommen.“ Der größte Umbruch der Welt seit dem 2. Weltkrieg und die neue industrielle Revolution, die heute weit mehr als nur die Medien betreffe, müsse akzeptiert und als Chance begriffen werden. Aber der Paradigmenwechsel, der durch die Digitalisierung hervorgerufen wurde, habe eben nicht nur Gutes zutage gefördert: Auch radikale Gruppen haben längst die Möglichkeiten des Web erkannt und nutzen es zur Verbreitung ihrer Ideen und zur Vernetzung mit Gleichgesinnten. Und so brauche es eine rasche Abstimmung alle relevanten Kräfte, „aber tun wir Europäer uns traditionell schwer.“

Die Haben-Seite der Digitalsierung

Reaktionen auf die Digitalisierung liegen aus Zeilers Sicht „zwischen Euphorie und Angst, zwischen Kulturoptimismus und Kulturpessimismus, zwischen Fortschrittsglaube und Zukunftsangst“. Und die Kluft werde größer: „Ich beobachte eine Radikalisierung der Standpunkte.“ Die gute Nachricht für Medienbranche: „Dort ist die Digitalisierung schon sehr weit fortgeschritten, in anderen Branchen aber eben noch nicht.“ Die Medienwelt habe sich total gewandelt: „whatever, whenever, whyever, whereever“ könne man auf Medieninhalte zugreifen und das sei in hohem Maße der Digitalisierung geschuldet. Dass Content King sei, will Zeiler gar nicht bestreiten, aber „der wahre König ist der Konsument. Seine macht ist größer als je zuvor. Jeder kann überall und jederzeit auf Inhalte zugreifen. Alles wird kommuniziert, nichts kann verschwiegen werden.“ Das sei die „Haben-Seite“ der Digitalisierung. Auf der anderen Seite stünde die Problematik, dass „die Finanzierung von Journalismus immer schwieriger“ werde und dass es mit Unternehmen wie Google, Amazon oder Netflix Quasimonopole gebe – wenn man den chinesischen Markt ausklammere.

Digitalisierung: Einst belächelt – heute Normalität

„Der Optimismus ist größer als noch vor einigen Jahren“, bilanziert Zeiler den Status quo der Medienbranche in Bezug auf die Digitalisierung. Am Anfang sei die Phase des Belächelns gestanden, dann sei die Phase des Wegschauens gekommen, dann jene der Ratlosigkeit, und erst dann hätten sich die analogen Medienhäuser mit den Möglichkeiten und Segnungen der Digitalisierung beschäftigt. Und heute sei die Digitalisierung einfach Normalität: „Die meisten traditionellen Medienhäuser sind in der digitalen Welt angekommen.“

Viele Herausforderungen, kaum Lösungen

Was die Herausforderungen für die Medienbranche anbelangt, sei „kaum eine annähernd gelöst“. Aber man müsse eben nur wollen und müsse die Dinge nur einmal angehen: „Es braucht einheitliche europäische Standards, es braucht Lösungen im Bereich Urheberrecht und es braucht die Sperre von gewissen radikalen Inhalten.“ Zeiler: „Alles geht, wenn man nur will.“

Die Konsumenten – so Zeilers Sicht – hätten die neuen Medien, die neuen Produkte und die neuen Services jedenfalls angenommen. Das Mediennutzungsverhalten habe sich „radikal geändert“.

Die richtigen Schlüsse ziehen

Abschließend meinte Zeiler: „Es gibt keinen Weg zurück. Die Digitalisierung ist Fakt. Und es gibt Antworten auf die aktuellen Herausforderungen: Wir müssen sie einfach nur in Angriff nehmen. Und es braucht Regeln und Gesetze in der digitalen Welt: Wir müssen dies aber europaweit organisieren.“ Und in Richtung all jener Branchen, die erst am Beginn der Digitalisierung stehen, meint Zeiler: „Die anderen Industrien müssen die gleichen Schlüsse ziehen wie die Medienindustrie. Auch die anderen Industrien müssen in der digitalen Welt ankommen.“

Gerhard_Zeiler_Turner_Broadcasting_c_Johannes_Brunnbauer

Gerhard Zeiler, Präsident von Turner Broadcasting System International, meinte im Rahmen seiner Keynote bei den Österreichischen Medientagen in Wien: „Der Optimismus der Medienbranche ist größer als noch vor einigen Jahren.“ (Foto: Johannes Brunnbauer)

Über den Author

Redaktion

Schreiben Sie ein Kommentar