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Harsche Kritik an der Vergabepraxis der Regierung bei Kommunikationsetats

Maßnahmenkatalog.Einmal mehr wird Kritik an der Vergabepraxis der öffentlichen Hand insbesondere der Bundesregierung laut. Der Missmut von Branchenverbänden und -vertretern richtet sich vor allem gegen unklare Aufgabendefinitionen, zu hohe Eintrittsschwellen, Behinderung bei Arbeitsgemeinschaften, zu selektive Anerkennung von Projektreferenzen und vor allem knappe Fristen.
Peter Drössler, Obmann des Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation der WKÖ, hält mit seiner Kritik an der Vergabepraxis der öffentlichen Hand nicht einmal ansatzweise hinterm Berg: „Das jüngste Beispiel zur Ausschreibungspraxis der Bundesregierung ist im günstigsten Fall als mangelhaft zu bezeichnen, da geht jemand naiv und ahnungsarm ans Werk“. Es sei – so Droessler – völlig unverständlich, dass derart zentrale Aufgaben dermaßen mangelhaft ausgeschrieben würden. „Jedes Unternehmen muss – im eigenen Interesse – mehr Sorgfalt in die Auswahl seiner Kommunikationspartner legen.“ Was war der Stein des Anstoßes gewesen? Die Republik Österreich – vertreten durch das Bundeskanzleramt – hat die „Entwicklung eines Konzeptes zur Unterstützung der Informationstätigkeit der Bundesregierung“ veröffentlicht und europaweit ausgeschrieben. Die Bundesregierung hat damit einen Prozess eingeleitet, eine auszuwählen, die ein Kommunikationskonzept erstellen soll, um das Vertrauen der Bürger in die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu festigen. Dieser Kommunikationsetat wird für die Jahre 2009 bis 2010, optional bis 2011, vergeben.


Peter Drössler, Obmann des Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation der WKÖ: „Das jüngste Beispiel zur Ausschreibungspraxis der Bundesregierung ist im günstigsten Fall als mangelhaft zu bezeichnen, da geht jemand naiv und ahnungsarm ans Werk“.

Verschwendung von Steuergeldern

Drössler missfällt, dass der Text und wesentliche Eckpunkte der Ausschreibung des Bundeskanzleramtes nicht geeignet sind, die für die Aufgabe am besten geeignete Agentur zu finden. Ohne professionelle, marktkonforme Ausschreibung sei die Chance, den für die jeweilige Aufgabe am besten geeigneten Partner zu finden, gering. Drössler: „Öffentliche Kommunikation ist eine zentrale Aufgabe der Bundesregierung und muss professionell erfolgen. Alles andere ist schlicht Verschwendung von Steuergeldern.“

Konkret übt der Fachverband Werbung an folgenden Punkten der aktuellen Ausschreibung:

– Unklare Aufgabendefinition: Bei 18 Seiten Ausschreibungstext widmet sich gerade ein kurzer Absatz der Aufgabenstellung für die Agentur. Dabei geht diese Textpassage nicht über Allgemeinplätze hinaus (Akzeptanz erreichen, Nutzen sichtbar machen) und enthält zudem ungenaue oder einfach falsche Fachbegriffe („Entwurf einer generellen CI-Linie, die … im Schriftbild erkennbar ist“).
Die Ausschreibung enthält zudem keinerlei Informationen über den geplanten Umfang der Tätigkeit oder den geplanten Etat.

– Zu hohe Eintrittsschwelle: Unter „Nachweise über finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ müssen Bewerber den Nachweis über einen durchschnittlichen Honorarumsatz in der Höhe von 5 Millionen Euro in den vergangenen Jahren aufweisen. Damit wird die Auswahl unnötig auf einen sehr kleinen potentiellen Bieterkreis beschränkt, kreative, kompetente und sicherlich geeignete Anbieter von vornherein ausgeschlossen.

– Behinderung bei Arbeitsgemeinschaften: Für Subunternehmer, die einen Teil der Leistung erbringen sollen, sind alle Nachweise wie für den Auftragnehmer zu erbringen. Die in der klein strukturierten Agenturlandschaft Österreichs viel geübte Praxis von Projektkooperationen wird dadurch für diesen Fall erheblich erschwert.

– Zu selektive Anerkennung von Projektreferenzen: Obwohl die Ausschreibung nahezu frei von jeglichen Angaben über „Projektcharakter, Kommunikationsdisziplin, Verbreitungsraum, Aktualität und Budgetdotierung“ ist, werden nur Referenzen anerkannt, die in „diesen Merkmalen mit dem gegenständlichen Projekt vergleichbar“ sind. Für interessierte Agenturen bedeutet dies: „Stochern im Trüben“. Zudem werden Projekte, die einen Auftragswert von weniger als 500.000 Euro haben, nicht als Referenz anerkannt.

– Knappe Fristen: Die für einen Zwei- bis Drei-Jahres-Etat knappen Fristen sind in Kombination mit den vagen Angaben über Kommunikationsaufgaben und -ziele ebenfalls nicht dazu angetan, eine optimale Voraussetzung für eine gute Agenturentscheidung zu schaffen: Tag der Ausschreibung: 26. Februar 2009, Schlusstermin für die Einsicht in Unterlagen: 26. März 2009, 18 Uhr, Schlusstermin für den Eingang der Anbote: 30. März 2009, 11 Uhr

Verpflichtende Einbeziehung externer Branchenexperten

Gegenüber dem »OBSERVER«-Letter erklärt Drössler: „Im Wesentlichen sind es vier Punkte, die wir unbedingt umgesetzt sehen wollen: Der Fachverband fordert von der Bundesregierung:
– Das Ausmaß öffentlicher Kommunikation (Public Information) soll in den kommenden Jahren noch deutlich ausgeweitet werden. Zentrale gesellschaftliche Ziele müssen offensiv in den öffentlichen Dialog mit der Bevölkerung eingebracht werden.
– Bei der Vergabe öffentlicher Etats und bei öffentlichen Informationskampagnen sollen verpflichtend qualifizierte, unabhängige Branchen-Experten und Pitch-Berater auf dem Gebiet Werbung, Kommunikation und PR in die Operationalisierung der Kommunikationsziele sowie die Definition der Auswahl- und Zuschlagskriterien für Agenturen einbezogen werden. Nur dadurch kann eine Professionalisierung der Vergaben, mehr Transparenz und ein effektiverer Einsatz von Budgetmitteln erreicht werden.
– Zur Wahrung der Chancengleichheit unter den Marktteilnehmern und im Interesse eines optimalen Einsatzes öffentlicher Mittel müssen Anbietergemeinschaften mehrerer mittlerer und kleinerer Agenturen in den Vergabeverfahren in den Auswahl- und Zuschlagskriterien großen Agenturen gleichgestellt werden.
– Eine zentrale Meldung und Publikation aller öffentlichen Ausschreibungsverfahren im Bereich öffentlicher Kommunikation soll den Zugang für alle Marktteilnehmer erleichtern.“

Kompetente Ansprechpartner auf Auftraggeberseite

PRVA-Vizepräsident Dr. Peter Hörschinger schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Aus Sicht der Agenturen und des PRVA sind bei öffentlichen Vergabeverfahren vor allem drei Bereiche zu nennen, in denen praxisrelevante Verbesserungen wünschenswert wären: 1. Teilnahmebedingungen, die eine breite Teilnahmen möglich machen. 2. Professionelle Briefings und Pitchberater. 3. Präsentation, Timing und Jury.“ Was die Teilnahmebedingungen anbelangt, findet Hörschinger, „dass von vornherein große Teile der Branche nicht an diesen Vergabeverfahren teilnehmen können, wenn Referenzprojekte mit Honorarumsätzen ab einer halben Million Euro gefordert werden“. Der PRVA wünscht sich da vielmehr „eine stärkere Berücksichtigung von qualitativen Parametern wie z.B. des Qualitätssicherungsstandards CMS“. Darüber hinaus fordert Hörschinger im Namen des PRVA professionelle Briefings: „Die Qualität von Konzepten und Lösungsvorschlägen hängt in hohem Maß auch davon ab, welche Informationen von Seiten des Auftraggebers zur Verfügung gestellt werden.“ Zusatz: „Briefings, die möglichst umfassende Informationen zum ausgeschriebenen Projekt, zum Auftraggeber selbst, den bisherigen Maßnahmen und den bislang erreichten Zielen enthalten, sind leider selten.“ Ebenso selten seinen persönliche Re-Briefinggespräche und noch seltener professionelle Ansprechpartner auf Auftraggeberseite. Hörschinger: „Daher empfiehlt der PRVA, in solchen Fällen externe Pitchberater einzusetzen, die mit ihrem Expertenwissen die Qualität einer öffentlichen PR-Ausschreibung in Bezug auf den Inhalt sicher stellen.“ Was noch hinzukommt: „Diese Pitchberater würden sehr eng mit internen
oder externen Juristen zusammenarbeiten, die die rechtlich korrekte Abwicklung einer Ausschreibung garantieren.“ Apropos Abwicklung: Auch da sieht Hörschinger in seiner Funktion als PRVA-Vizepräsident Optimierungspotenzial: „Nach einem Screening bzw. der Vorauswahl sollten maximal fünf Agenturen zur Präsentation eingeladen werden. Diese Präsentationen sollten dann aus zwei Teilen bestehen: einem Strategie- und einem Maßnahmenteil. Ziel des ersten Teiles ist es, die (langfristig orientierte) Strategie darzustellen, im zweiten Teil werden darauf aufbauend die konkreten Maßnahmen präsentiert. Dies ermöglicht es dem Auftraggeber, klar zwischen jenen Agenturen zu unterscheiden, deren Maßnahmen in ein Gesamtkonzept bzw. in eine Gesamtstrategie eingebetet sind und jenen Agenturen, deren Maßnahmen keinem klaren längerfristigen Ziel folgen.“ Und für de Ausarbeitung von Gesamtstrategien brauche es eben ein wenig Zeit: „Oftmals werden in den Ausschreibungen unrealistische Zeitvorgaben für die Entwicklung und Erstellung der Kommunikationskonzepte angeführt. Für die Erarbeitung des detaillierten Strategie- und Maßnahmenkonzept sollten mindestens vier bis sechs Wochen Zeit eingeräumt werden.“ Und noch einen Wunsch hat der PRVA: „Die Jury soll externe Fachleute mit Stimmrecht inkludieren. Dies würde eine Außensicht auf die Präsentationen und erhöht dadurch die Objektivität des Auswahlprozesses garantieren.“ Ebenfalls wünschenswert aus PRVA-Sicht: „Für die Präsentation von Strategie und Maßnahmen sollte eine Abschlagszahlung in Höhe von mindestens 2.000 Euro bezahlt werden.“


PRVA-Vizepräsident Dr. Peter Hörschinger: „Der PRVA empfiehlt externe Pitchberater einzusetzen, die mit ihrem Expertenwissen die Qualität einer öffentlichen PR-Ausschreibung in Bezug auf den Inhalt sicher stellen.“

Standardisierte Vergaben

Sepp Tschernutter, Geschäftsführer der PR-Agentur Trimedia Communications Austria, findet vor allem einen Punkt bei öffentlichen Ausschreibungen wichtig: „Einheitlichkeit. Ich denke es wäre sinnvoll, die formalen Abläufe (was ist beizulegen, wie werden Referenzen gewichtet etc.) zu vereinheitlichen und dann als Standard für alle öffentlichen Ausschreibungen festzulegen.“ Derzeit seien nämlich fast alle Ausschreibungen unterschiedlich und machen daher laufend Zusatzarbeit. Tschernutter konkret: „Ich schlage vor: ein Standard für die formalen Dinge, zwei bis drei Optionen für die Bewertung der Kreativleistungen sowie für den Preisaspekt zur Auswahl und dieses System gilt dann für alle.“


Sepp Tschernutter, Geschäftsführer der PR-Agentur Trimedia Communications Austria: „Derzeit sind fast alle Ausschreibungen unterschiedlich und machen daher laufend Zusatzarbeit.“

Vergaben dürfen nicht Spielwiese von Juristen sein!

„Grundsätzlich haben wir ja Verständnis für die Öffentliche Hand und die Notwendigkeit einer rechtlich einwandfreien und transparenten Vergabe. Aber wie so oft hat sich auch in diesem Fall ein System verselbständigt und ist unserer Ansicht nach zum Selbstzweck geworden“, glaubt Christian Kollmann, geschäftsführender Gesellschafter der PR-Agentur communication matters. Das größte Problem liege darin, dass ein „Diktat der Juristen“ herrsche. Bei Ausschreibungen gehe es Kollmann zufolge schon lange nicht mehr um die Vergabe von Kreativleistungen, sondern offenbar um einen Wettbewerb in möglichst exzessiver Auslegung des Vergaberechtes. Kollmann konkret: „Bei den (meisten) Auftraggebern der Öffentlichen Hand haben wir Agenturen keine kompetenten Ansprechpartner: also niemanden der weiß, worum es bei uns geht und was wir als Briefing brauchen. Dafür kommunizieren wir mit Juristen, die ganz eng am Buchstaben des Gesetzes kleben und die – durchaus vorhandenen – Spielräume nicht nutzen wollen. Häufig werden auch Rechtsanwaltskanzleien für die Durchführung (oder besser: Überwachung) der Ausschreibungen beschäftigt. Dann wird es ganz schlimm.“ So habe einmal einer dieser externen Rechtsberater auf die Frage, worin er seine Funktion sehe, geantwortet: „Mir ist ganz egal, welche Agentur den Zuschlag erhält und ob die gut oder schlecht ist. Mein einziges Interesse liegt darin, das Verfahren so abzuwickeln, dass es nicht angefochten werden kann.“ Damit – so Kollmann – sei ohnedies schon alles gesagt.


Christian Kollmann, geschäftsführender Gesellschafter der PR-Agentur communication matters: „Bei den (meisten) Auftraggebern der Öffentlichen Hand haben wir Agenturen keine kompetenten Ansprechpartner: also niemanden der weiß, worum es bei uns geht und was wir als Briefing brauchen.“

Forderung nach lebensnahen Ausschreibungen

Der Boss von communications matters fordert daher professionelle Unterlagen, die sich auch mit dem eigentlichen Gegenstand der Ausschreibung beschäftigen. „Wir beteiligen uns gerade an einer Ausschreibung mit rund 70 Seiten Umfang: 12 Zeilen (!!!) davon beschreiben die eigentliche Aufgabenstellung der Kommunikationsarbeit2, plaudert Kollmann aus dem Nähkästchen. Weiters wünscht sich Kollmann “realistische und lebensnahe Ausschreibungsbedingungen, zum Beispiel keine unrealistischen Budgetgrößen für anzuführende Referenzprojekte“. Jüngst musste bei einer Ausschreibung auch die PR-Agentur ein Referenzprojekt in der Höhe von 700.000 Euro anführen, was in Österreich nicht gerade die Norm ist. Darüber hinaus fordert Kollmann faire Zeitangaben für die Durchführung der Ausschreibungen sowie Möglichkeiten zum persönlichen Kontakt (Rebriefings!), Kommunikations-Profis in den Entscheidungsgremien/Jurys und Transparenz bei der Begründung der Entscheidungen. Kollmann: „In der Regel arbeiten sie mehrere Wochen an einer großen Ausschreibung und erhalten dann einen Brief mit wenigen Zeilen, dass sie den Zuschlag nicht erhalten haben. Kein Wort zum Warum, Wie, Was, Wann. Das entspricht nicht nur nicht dem Gesetz (hier ist man dann seltsamerweise sehr großzügig in der Interpretation eben dieses!), das ist auch schlicht unhöflich!“

Nicht immer leicht verständlich

Kollmann wäre im Fall von Ausschreibungen aber auch schon zufrieden, wenn die deutsche Sprache korrekt verwendet werden würde: „Erst gestern saßen in unserer Agentur drei Akademiker zusammen und haben verzweifelt versucht, einen Ausschreibungstext zu verstehen – was letztlich nicht gelungen ist! Wir mussten (natürlich wieder schriftlich) bei der ausschreibenden Behörde nachfragen (wie übrigens andere Agenturen auch).“ Kollmanns Kernforderung ist die Miteinbeziehung von Profis in den Ausschreibungsprozess: sei es durch mehr Fachpersonal in der Öffentlichen Hand selbst, sei es durch Zuziehung von Pitch-Beratern und/oder durch Profi-Jurys. Und zu gute Letzt sollte auch am Vergabegesetz ein wenig gefeilt werden: „Das Vergabegesetz ist meiner Ansicht nach in manchen Teilen schlicht zu überbordend, sollte abgespeckt und vereinfacht werden. Und an die Gegebenheiten der Kommunikationsbranche angepasst werden, ohne dabei die grundlegenden Bedürfnisse der Öffentlichen Hand deswegen außer Acht zu lassen.“

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