»OBSERVER«-Cercle.Michael Fleischhacker, Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse“, stand Kunden und Partnern des Medienbeobachtungsunternehmens im Rahmen des »OBSERVER«-Cercle Rede und Antwort.
„Es gibt keine erstrebenswertere Position im Journalismus in Österreich“, ließ Michael Fleischhacker, seines Zeichens Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse“, bei der dritten umgekehrten Pressekonferenz im Rahmen »OBSERVER«-Cercle keine Zweifel offen, dass er diese Funktion noch lange auszuüben gedenkt. Fleischhacker war der mittlerweile dritte Hochkaräter, der sich im »OBSERVER«-Cercle den Fragen von Kunden und Partnern, überwiegend PR-Verantwortlichen in Agenturen sowie Unternehmen, stellte: Fragen über Arbeitsalltag, Arbeitsweise, Abläufe und zudem Einstellungen zur PR-Branche.
Der 1969 in der Steiermark geborene Fleischhacker begann bei Styria Medien AG – konkret bei der „Kleinen Zeitung – und kehrte nach einem Intermezzo beim „Standard“, wo er es bis zum Chef vom Dienst brachte, zur Styria zurück: Ab 2002 fungierte Fleischhacker bei der „Presse“ als stellvertretender Chefredakteur unter Dr. Andreas Unterberger (heute Chefredakteur der „Wiener Zeitung“), den er 2006 als Chefredakteur des Blatts mit dem großen Horizont beerbte.
Soziale Erwünschtheit
Auf die Feststellung von Moderator und »OBSERVER«-Geschäftsführer Mag. Florian Laszlo, dass er – Fleischhacker – als streitbarer Mensch gelte, meinte der „Presse-Chefredakteur lächelnd: „Man sagt so.“ Und so verwundert es wenig, dass Fleischhacker im seit 20 Jahren schwelenden Match zwischen „Presse“ und „Standard“, das nicht zuletzt über Media Analyse und Auflagenkontrolle (ÖAK) ausgetragen wird, ein wenig Öl ins Feuer gießt: „In der ÖAK liegen wir stets vorne, nur in der MA wird unsere Verkaufsauflage dann nicht abgebildet.“ Und das habe wohl mit einem „Alzheimer-Phänomen“ bei den „Presse“-Lesern und „jugendlichen Phantasien“, bei vermeintlichen jungen „Standard“-Lesern zu tun. Fleischhacker glaubt also, dass so mancher Nicht-„Standard“-Leser – Stichwort: soziale Erwünschtheit – vorgibt, das rosa Blatt zu konsumieren, obwohl er oder sie dies gar nicht tut. Irgendwie wirkt Fleischhacker in Sachen MA konsterniert: „Wir wissen nicht, warum der Standard in der MA stets vorne ist …“
Sonntags-Abenteuer funktioniert
Aber der Reichweitenvorsprung des „Standard“ könnte dank des jüngsten Coups der Styria ohnehin bald der Vergangenheit angehören: Seit einigen Wochen belebt die „Presse“ mit einer Sonntagszeitung den Markt: „Das funktioniert bisher recht gut“, ist Fleischhacker guter Dinge. „Weil der Sonntag schon immer der wichtigste Lesetag war und es am Sonntag schon bisher die meisten Anzeigen gegeben hat“, wie der „Presse“-Chefredakteur erklärt. Außerdem wirke man bei der „Presse“ mit dem neuen Sonntagsprodukt dem generellen Anzeigenrückgang mit einem zusätzlichen Angebot an die Werbewirtschaft entgegen und hält dadurch den Rückgang in Grenzen.
Ein APA-Interview von „Standard“-Geschäftsführer Wolfgang Bergmann, in dem der meinte, dass „Der Standard“ die Entnahmen der Samstagsausgabe seit dem Start der „Presse am Sonntag“ um 15 Prozent steigern konnte, kommentiert Fleischhacker nicht ohne polemischen Unterton: „Ich bin da sehr entspannt, denn das bedeutet, dass sich 85 Prozent dazu entschieden haben, den „Standard“ am Samstag den stummen Verkäufern nicht zu entnehmen, obwohl es keine Alternative gibt.“
Tageszeitungen – kein bedrohte Spezies
Als alter Fuchs im Tageszeitungsgeschäft geht Fleischhacker davon aus, dass es Tageszeitungen trotz der Angriffe aus dem digitalen Lager noch lange geben werde: „Ich glaube nicht, dass – wie Mario Garcia das formuliert hat – bis 2012 rund 85 Prozent aller Tageszeitungen, die es heute in den USA gibt, vom Markt verschwunden sein werden.“ Was sich aber sehr wohl wandeln werde und teilweise schon gewandelt habe, sei die vornehmliche Aufgabe von Tageszeitungen: „Tageszeitungen werden sich mehr und mehr auf ihre Kommentar- und Erklärungsfunktion einstellen. Nur im Wirtschaftsbereich kann man als Tageszeitung noch Nachrichtenmedium sein. In allen anderen Bereichen wird diese Funktion von den digitalen Medien abgedeckt.“
Apropos digitale Medien: An Paid-Content-Modelle glaubt Fleischhacker auch im Internet – diepresse.com wurde kürzlich runderneuert präsentiert – nicht: „Was einmal gratis war, kann man nie wieder vergebühren.“ Der große Vorteil der Webauftritte für Printmedien liege aber ohnehin in einem anderen Bereich: „Das Internet ist die beste Abogenerierungsmaschine“, weiß Fleischhacker.
Nicht glücklich mit dem Google-Deal
Als APA-Vorstand hat Fleischhacker die Diskussionen um den Deal zwischen Google und den europäischen Nachrichtenagenturen live miterlebt. Die Entscheidungsfindung im Vorstand war nicht einfach, ging aber dann doch für den Abschluss aus. Fleischhacker sieht es vor allem als problematisch an, dass der Leser nicht mehr auf die Zeitungswebsite kommt, sondern bei Google hängenbleibt. Das entzieht den Zeitungswebsiten Traffic und damit die derzeit einzig gültige Währung im Internet-Werbegeschäft. Die Zweifler konnten sich jedoch nicht durchsetzen und Fleischhacker verweist auf die begrenzten Inhalte des Google-Deals und die kurze Laufzeit. Der wirtschaftliche Druck und Sachzwänge haben hier vielleicht die Medien bewegt auch gegen ihre unmittelbaren Interessen zu handeln. Ob man sich von dem Vertriebskanal so schnell wieder zurückziehen kann, wenn er einmal etabliert ist, ist auch zu bezweifeln. Wer bei der gegenseitigen Umarmung der großen Gegner Google und Nachrichtenagenturen gewinnen wird, bleibt spannend.
Fleischhacker ist jedenfalls überzeugt, dass eine Tageszeitung eine Nachrichtenagentur benötigt. Ideen diese einzusparen – wie gerade Versuche in Deutschland und den USA laufen -, kann er nichts abgewinnen. Er sieht dies als Ausdruck von „Provinzialität“ im Bezug auf Regionalmedien oder ferner als Vorliebe für „eigene Wahrheiten“. Letzteres war nicht der einzige Schlag gegen den „Onkel Hans“ und sein Kleinformat, das ja schon immer auf die APA verzichtet.
Professionelles Verhältnis
Zur PR hat Fleischhacker „ein kühles und professionelles Verhältnis“. Von PR-Verantwortlichen wünscht er sich, „PR, die auf das jeweilige Medium abgestimmt ist. Denn: „Der Schlüssel für gute PR liegt in ihrer Individualisierung.“ Auf die Frage, was eine PR-Meldung auszeichnet, die den Weg ins Blatt findet, meint Fleischhacker: „Relevanz und Verläßlichkeit.“ Was ihm am heimischen Medienmarkt fehle, beantwortet der „Presse“-Chefredakteur so: „Ein guter, wirtschaftlich abgesicherter öffentlich-rechtlicher Rundfunk, ein Wochenprodukt wie die Schweizer „Weltwoche“ und ein Monatsprodukt wie „Cicero“.“
Niederschlag fand der Cercle auch schon im Netz. So bloggte Teiln
ehmer Gerald Bäck live. Bäck-Blog
Dabei waren unter anderem:
Dr. Alexandra Pifl (l’Oréal), Dr. Christoph Bruckner (milestones), Barbara Fuchs-Puchner (Unilever), Mag. Christine Sabongui (Haslinger Keck PR), Berenika Sterba (Berenika PR), Ulrich Müller (WIKO), DI Roger Hackstock (Austria Solar), Mag. Eleonora Janotta (ÖMG), Marlene Ropac (Tanzquartier), Peter Aigner (Aigner PR), Tanja Kanduth (YSL Beauté), Mag. Johanna Sommer (Alphaaffairs), Karin Sailer (Swatch), Mag. Hermine Hackl (AMA), Eva-Maria Lobner (Ecker & Partner) u.v.m.